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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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ob ich überhaupt damit umgehen konnte, bezweifelte ich, dass das Gewehr geladen war. Mir blieb nur ein Versuch für meinen Angriff, und mein Zeitfenster ließ weder zu, das Gewehr vorher auf Munition zu überprüfen, noch, es zu laden. Das Einzige, was mir einigermaßen als Waffe dienen konnte, war ein Stuhl. Falls es in der Küche Messer gab, waren sie von hier aus nicht zu sehen, und ich konnte es nicht riskieren, wertvolle Zeit auf der Suche nach einem Messer zu verlieren.
    Der Stuhl also.
    Ich wartete, bis Calder sich über das Pentagramm beugte,um die Schale mit den Kräutern in seinem Zentrum abzustellen. Dann sprang ich auf. Die ersten fünf Schritte machte ich so schnell, dass mein Kreislauf gar keine Chance hatte, darauf zu reagieren. Als mich der Schwindel übermannte, war es ohnehin zu spät, denn es war derselbe Augenblick, in dem auch der Hexer auf mein Tun aufmerksam geworden war.
    Er ließ die Kräuterschale fallen und wirbelte zu mir herum. Ich rechnete damit, dass er versuchen würde, mich zu fassen zu bekommen, und schlug einen Haken, um seinem Griff zu entgehen. Statt mich jedoch zu packen, verpasste er mir einen Stoß. Ich prallte gegen den Küchentresen und ging zu Boden. Bunte Sterne explodierten vor meinen Augen und nahmen mir die Sicht. Keuchend versuchte ich wieder hochzukommen. Ich kämpfte gegen den Schwindel an, der mich jetzt mit voller Wucht überkam und von den Beinen reißen wollte.
    Verdammte Kopfverletzung!
    Eine Hand schloss sich um meinen Oberarm und riss mich so heftig auf die Beine, dass ich glaubte, es würde mir die Schulter auskugeln. Der dunkle Schleier vor meinen Augen lichtete sich, löste sich auf zu einem durchlässigen Grau und gab den Blick auf Calder Ravenwood frei. Die Finger seiner rechten Hand klammerten sich noch immer um meinen Arm, während er die Linke in die Höhe hob. Ein paar Lederschnüre baumelten darin.
    »Du lässt mir keine andere Wahl«, sagte er in einer Ruhe, die in krassem Gegensatz zu der Wut in seinem Gesicht stand. Er veränderte seinen Griff so, dass er mir den Arm auf den Rücken drehen konnte. Mit seinem Körper presste er mich gegen den Tresen und klemmte meine freie Hand zwischen dem Tresen und meinem Bauch ein. Das Leder schnitt in mein Handgelenk, als er es mehrmals darumwickelte und festzurrte. Sobald die Schlinge saß, griff er nach meinem anderen Arm und zog auch ihn hinter meinen Rücken. Ich stöhnte auf, halb vor Schmerz, halb aus Frustration. Wie sollte ich jetzt noch freikommen? Das Band umfing nun auch mein anderes Handgelenk. Der Druck verstärkte sich, als Ravenwood anzog. Ich spürte die flinken Bewegungen seiner Finger, als er sich anschickte, den Knoten zu binden.
    Bevor er sein Werk vollenden konnte, explodierte das Fenster zu unserer Linken mit einem ohrenbetäubenden Knall. Scherben regneten herab und mit ihnen noch etwas anderes. Etwas, das aussah wie eine Metalldose, rollte polternd über den Boden und verströmte dabei dichten grauen Nebel, der sich rasch ausbreitete.
    Eine Rauchgranate.
    Der Hexer zerrte mich mit sich, zog mich fort vom Nebel, als es einen weiteren Aufschlag gab. Dieses Mal rollte uns das Ding unmittelbar vor die Füße. Der ausströmende Rauch war nicht grau, sondern heller mit einem leicht bläulichen Einschlag. Eine Sekunde später wusste ich, dass die Farbe nicht der einzige Unterschied war. Das Gas brannte in meinen Augen, ließ sie tränen und machte es mir beinahe unmöglich, sie länger offen zu halten. Meine Kehle brannte und ich begann zu husten.

 34 
    Ravenwood reagierte schnell. Er trat die Granate ans andere Ende des Raumes und zerrte mich fort, bevor ich die volle Wirkung des Gases zu spüren bekam. Was ich abbekommen hatte, reichte mir mehr als zur Genüge. Der Hexer selbst war verschont geblieben. Offensichtlich hatte er mich nicht nur als Schutzschild zwischen sich und das Tränengas gehalten, sondern auch schnell genug den Kopf abgewandt, um nicht sofort von der Wirkung erwischt zu werden.
    Er stieß mich am Küchentresen vorbei, riss die Tür zur Speisekammer auf und schob mich hinein. Blinzelnd und gegen die brennenden Tränen ankämpfend, die mir über das Gesicht strömten, versuchte ich den Überblick nicht zu verlieren. Ein schwieriges Unterfangen angesichts der Tatsache, dass zu meiner Tränenblindheit jetzt auch noch das Halbdunkel der Kammer kam.
    Ein lautes Krachen, dann strömten uns Luft und Licht entgegen. Der Hexer hatte die Rückwand der Kammer durchbrochen und

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