Die Fluchweberin
gemeinsam verbrachten – auch wenn sich dann jemand anderes hinter ihren Gesichtern verbarg.« Er zuckte die Schultern. »Letztlich ist es deine Schuld, dass sein Opfer umsonst war.«
»Meine Schuld?«, schnappte ich. »Opfer? Sie tun ja gerade so, als hätte Max sich freiwillig gemeldet!«
»Hättest du dich nicht mit deinen kleinen Taschenspielertricks eingemischt, hätte der Körper des Mädchens Lavinias Seele nicht abgestoßen und ich hätte keinen anderen Wirt für sie suchen müssen.« Sein Blick maß mich von oben nach unten. »Du bist nicht so hübsch wie diese Kim, aber mit deiner Magie wirst du das bessere Gefäß sein.«
Ich wusste, dass mich keine Schuld traf, trotzdem verursachten mir seine Worte einen Stich. »Sie haben ein Ritual unter Kims Fenster durchgeführt. Ich habe Sie gesehen.«
Er nickte. »Der erste Schritt für den Übergang. Alles wäre gut gegangen, wenn du dich nicht eingemischt hättest. Der Übergang wäre ungestört vorangeschritten. Lavinias Seele hätte sich im Körper dieses Mädchens gefestigt und ihn schließlich zur Gänze übernommen. Es wäre eine Sache von zwei oder drei Tagen gewesen, dann hätten wir die Schule verlassen und unser eigenes Leben führen können.« Ein Schatten huschte über seine Augen. »Du kannst dir vielleicht meine Überraschung vorstellen, als nichts passierte. Nein, das stimmt nicht. ›Nichts‹ ist das falsche Wort. Als du den Fluch auf das Amulett gelegt hast, hast du damit Lavinias Seele darin eingesperrt. Ein Teil von ihr war jedoch bereits mit Kim verbunden, ehe der Übergang auf soabrupte Weise ein Ende fand. Als du den Fluch wieder aufgehoben hast, war es bereits zu spät. Lavinias Seele konnte sich nicht mehr in Kims Körper festsetzen. Ohne ein neues Gefäß wäre sie im Nichts vergangen.« Seine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen. »Betrachte es als Wiedergutmachung deines unüberlegten Handelns, dass du nun dieses Gefäß sein wirst.«
Calder verstaute die Kräuter, schüttete die Mischung, die er in der Waagschale gesammelt hatte, in einen Mörser und begann sie mit einem Stößel zu zermahlen. Wie viel Zeit würden seine Vorbereitungen noch in Anspruch nehmen? Das Pentagramm war fertig, die Kerzen aufgestellt. Außer der Kräutermischung konnte nicht mehr viel fehlen. Zu wenig, das mich davor trennte, meinen Geist an die Seele der Hexe zu verlieren.
Ich musste noch mehr Zeit gewinnen. Allerdings sollte ich wohl besser nicht darauf bauen, dass Skyler mich rechtzeitig finden würde, und mir lieber Gedanken darüber machen, wie ich von hier verschwinden konnte.
Mein Blick wanderte durch den Raum, auf der Suche nach etwas, das ich Calder Ravenwood über den Schädel ziehen konnte.
»Ihre Lavinia hat versucht mich umzubringen«, sagte ich, um ihn von meinem Tun abzulenken.
Er schüttelte den Kopf. »Sie hat dich lediglich davon abgehalten, weiter zu versuchen, das Medaillon zu entfernen.«
»Und mich dabei fast umgebracht.«
Der Hexer lachte. »Keine Angst, du bist zäher, als du denkst. Und Lavinia weiß um deine Wichtigkeit.«
Dass sie mich nur verprügeln wollte, bis ich mich nicht mehr wehren konnte, beruhigte mich nur bedingt.
»Warum haben Sie Skyler angegriffen?«
Ravenwood legte den Stößel zur Seite und schüttete diezerstoßenen Kräuter in eine kupferne Feuerschale. »Der Junge war im Weg.«
Das ergab durchaus Sinn. Solange Skyler und ich ständig zusammenhingen, hatte Max – oder wohl besser der Hexer, der dank Magie Max’ Aussehen angenommen hatte – nicht die geringste Chance gehabt, an mich heranzukommen. Seine knappe Antwort verschaffte mir die Gewissheit, dass er tatsächlich nicht wusste, dass Skyler ein Sucher war.
»Ich hielt ihn für tot«, fuhr er nach einer kurzen Pause fort. »Bevor ich mich jedoch davon überzeugen konnte, tauchten ein paar Typen aus dem Team auf. Ich musste sie ablenken und verhindern, dass sie deinen Freund finden. Als ich später zurückkam, um seinen Leichnam verschwinden zu lassen, war er fort. Du kannst dir sicher meine Überraschung vorstellen, als er am nächsten Tag zum Unterricht erschien. Der Junge ist zäher, als gut für ihn ist.«
Du hast ja keine Ahnung.
Mein Blick wanderte von der Küchenzeile hinüber zu den aufgestapelten Möbeln und von dort aus weiter durch den Raum. Über dem Sofa, das an die Wand geschoben worden war, hing ein Gewehr. Auf dem Fensterbrett darunter stand eine Schachtel Patronen. Abgesehen davon, dass ich mir nicht sicher war,
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