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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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verteilte.
    Lavinia kreischte und schrie und kämpfte darum, mich wieder unter ihre Knute zu zwingen, doch ihr Zorn schien es ihr unmöglich zu machen, ihre Kräfte genug zu bündeln. Vielleicht hatte die Zerstörung des Pentagramms ebenfalls etwas bewirkt. Zumindest würde es mir Zeit verschaffen, falls Calder wirklich gewann und seine Vorbereitungen von Neuem beginnen musste.
    Auf jeden Fall fühlte es sich gut an, das Werk des Hexers zerstört zu haben. Leider war das kein dauerhafter Zustand. Schon spürte ich, wie Lavinias Willen wieder an Stärke gewann. Mein Bein zuckte unter ihrem Versuch, es erneut in ihren Dienst zu zwingen. Ein Ruck, ein erster Schritt in die von ihr gewünschte Richtung. Dann noch einer. Ich versuchte stehen zu bleiben, doch meine Beine bewegten sich weiter auf die Wand zu, an der das Gewehr hing. Sie riss es aus seiner Halterung und schnappte sich die Schachtel mit den Patronen.
    Woher zum Teufel wusste eine dreihundert Jahre alte Frau, wie ein modernes Gewehr funktionierte?
    Lavinia schien meine Frage aufgefangen zu haben. Wieder einmal lachte sie. Ich sehe es in deinem Geist.
    Krampfhaft bemühte ich mich, jeden Gedanken an die Waffe und ihre Funktion zu verdrängen. Es war der berühmte rosa Elefant. Wenn einem jemand sagte, man solle nicht an einen rosa Elefanten denken, woran denkt man dann? Mein Elefant war in diesem Fall ein Gewehr.
    Lavinia legte die Patronen ein.
    Ihre Bewegungen wurden mit jedem Handgriff flüssiger. Als sie sich zum Gehen wandte, folgten meine Beine ihrem Befehl. Ich sperrte mich mit aller Macht gegen sie, kämpfte sowohl gegen jeden weiteren Schritt wie auch gegen die Waffe in ihren Händen an. Tatsächlich gerieten wir ins Stocken. Ich spürte, wie sie sich konzentrierte und ihreKraft in meine Beine fließen ließ, um sie ihrem Willen zu unterwerfen.
    Und genau das war ihr Fehler.
    Im Loch in der Wand hielt Lavinia inne und legte das Gewehr an. Draußen stand Skyler mit dem Rücken zu uns. Er hatte das Messer des Hexers an sich gebracht und war im Begriff, zuzustechen. Noch immer meinen Willen bekämpfend, hob Lavinia das Gewehr und nahm Skyler ins Visier. Während sie ihre Energie auf die Kontrolle meiner Arme und Beine konzentrierte, gab ich meinen Kampf darum auf und lenkte mein komplettes Bewusstsein einzig und allein in die Bewegung meines Oberkörpers. Mit einem Ruck fuhr ich herum. Ich gewann so viel Schwung, dass es uns beinahe von den Beinen gerissen hätte, doch es gelang mir, mich nach vorne zu werfen und meinen Kopf mit voller Wucht gegen die Wand zu schlagen.
    Lavinia brüllte vor Zorn.
    Mir wurde schwarz vor Augen, und noch während ich zu Boden sackte, wusste ich, dass auch Lavinia diese Schwärze sah. Ich hatte uns beide ausgeknockt. Das Lächeln auf meinen Lippen war der Beweis, dass ich in diesem Augenblick die Oberhand hatte. Es war mein Lächeln.
    Ich schlug auf dem Boden auf, und das Letzte, was ich sah, bevor sich die Dunkelheit über mich herabsenkte, war, wie Skyler dem Hexer das Messer ins Herz stieß.

 35 
    Als ich die Augen wieder öffnete, wollte es nicht mehr hell werden. Nur langsam begriff ich, dass es Skyler war, der das Licht von mir fernhielt. Er hatte sich über mich gebeugt und blickte auf mich herab.
    Meine Augenlider flatterten und meine Hand zuckte. Halb fürchtete ich, Lavinia könne erneut die Kontrolle darüber übernehmen, doch ich spürte ihre Anwesenheit nicht mehr. Auch das Gewicht des Amuletts war von meinem Hals verschwunden. Das Zucken in meiner Hand war nichts weiter als ein Zittern. So wie auch der Rest meines Körpers zitterte. Ob vor Angst, vor Erschöpfung oder Erleichterung vermochte ich nicht zu sagen. Vielleicht hatte ich mir mit meinem Aufprall an der Wand auch einen Hirnschaden zugezogen und das war eine der Auswirkungen.
    »Raine? Bist du das?«
    »Fragst du das, weil du mich verhaften willst?«
    Er stieß erleichtert die Luft aus. »In erster Linie wollte ich sichergehen, dass meine Vermutung auch zutreffend war und die Seele fort ist, wenn der Hexer stirbt.«
    Dann war er also tot. Calder Ravenwood hatte nach all den Jahren endlich sein Ende gefunden. Vorsichtig und mit Skylers Hilfe setzte ich mich auf. Ich spähte über seine Schulter zu der Stelle, an der der Leichnam des Hexers lag. Halb rechnete ich damit, einen Dämon über ihn gebeugt zu sehen, der ihm die vor so langer Zeit versprochene Seele aus dem Leib riss. Aber vermutlich konnte sich der Dämon dieser Seele auf andere Weise

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