Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
was passiert war – und dass Ravenwood Max’ Tod als Opfer bezeichnet hatte.
    Manchmal malte ich mir aus, wie sie alle zum Unterricht gingen, auch Max, und sich auf ihren Abschluss vorbereiteten. Ich stellte mir vor, wie es wäre, mit ihnen zusammen zu sein. Sogar mit Kim. Nur an einen wagte ich nicht zu denken. Die Erinnerungen an Skyler waren einfach zu schmerzhaft.
    Je mehr Zeit seit meiner Flucht vergangen war, desto deutlicher war mir bewusst geworden, dass ich ihn tatsächlich liebte. Ich war mir sogar sicher, dass er meine Gefühle erwiderte. Sein Beruf und seine Vergangenheit machten es uns jedoch unmöglich, zusammen zu sein. Ich stand für alles, was er verabscheute.
    Ich vermisste ihn, trotzdem war es besser so. Immerhin war ich frei und am Leben. Alles war wie immer, nur dass es nicht mehr ausreichte, unauffällig zu bleiben. Jetzt musste ich unsichtbar sein.
    Es sollte mir nichts ausmachen, allein zu sein, schließlich war ich das seit zwölf Jahren gewohnt. Doch für eine Weile war es anders gewesen. Diese kurze Zeit, in der ich geliebt worden war und selbst geliebt hatte, hatte alles verändert. Sie hatte ausgereicht, um die Narben wieder aufzureißen, die mit dem Verlust meiner Eltern entstanden waren.
    Mein Leben gehörte jetzt wieder mir, aber die Freude darüber wollte sich nicht einstellen. Ich hatte um dieses Leben gekämpft, doch jetzt bedeutete es mir plötzlich nichts mehr.
    Jeder Tag war so einsam und leer wie der davor.
    Ich schloss die Augen und atmete durch. Der Mensch vergaß schnell. Auch ich würde vergessen. Schon bald würde ich mich nicht mehr daran erinnern, wie es mit Skyler gewesen war. Bis dahin musste ich einfach die Zähne zusammenbeißen.
    Ich öffnete die Schublade unter dem Tresen und schnappte mir den Schlüssel. Auf dem Weg zur Tür machte ich einen Umweg durch den Gastraum, um die Fenster zu schließen. Ich war gerade auf die Bank geklettert, um das letzte zu verriegeln, als ich hörte, wie hinter mir die Tür geöffnet wurde. Ich seufzte. Von Zeit zu Zeit versuchte einer der umliegenden Bauern noch einen Absacker zu ergattern, bisher war es mir jedoch immer gelungen, sie freundlich, aber bestimmt unter Hinweis auf die Sperrstunde wieder fortzuschicken. Mit ein wenig Glück würde es keine lange Diskussion werden.
    »Tut mir leid«, rief ich. »Wir haben schon geschlossen.«
    »Wusstest du, dass deine Aura nicht farblos ist?«
    Der Klang der Stimme ließ mich erstarren.
    »Einer der Zauberer hat mir einmal erklärt, dass ein Mensch seine eigenen Aura nicht erkennen kann«, fuhr er fort. »Ich habe keine Magie im Blut, deshalb sollte ich eigentlich auch nicht in der Lage sein, überhaupt irgendwelche Auren zu erkennen, dank der Tattoos kann ich es trotzdem. Dazu brauche ich nur ein bisschen Konzentration und eine Berührung. Deine Aura habe ich mir angesehen, als ich dir die Runen auf den Arm gemalt habe. Sie ist smaragdgrün.«
    Die Farbe des Herzens.
    Meine Hand zitterte, als ich den Fensterriegel schloss, und meine Knie waren so weich, dass ich beim Hinuntersteigen beinahe von der Bank gefallen wäre. Es gelang mir gerade noch, mich an einem Tisch abzufangen. Skyler zu sehen, war ein noch größerer Schock, als nur seine Stimme zu hören. Sein Haar war ein wenig kürzer, doch das war das Einzige, das sich verändert hatte. Er hatte noch immer diese Wirkung auf mich, die es mir schwer machte, mich nicht sofort in seine Arme zu werfen. Ein ziemlich unpassendes Verhalten für jemanden, der kurz davorstand, verhaftet zu werden.
    »Wie hast du mich gefunden?«
    Er schloss die Tür hinter sich und legte den Riegel vor. Mein Blick wanderte in Richtung Küche, zur Hintertür. Skyler kam ein paar Schritte auf mich zu und postierte sich so, dass er mir gleichermaßen den Weg zur Vorder- wie zur Hintertür abschnitt.
    »Auf dieselbe Art wie Max«, beantwortete er schließlich meine Frage. »Du hättest die Spuren in deinem Zimmer beseitigen sollen. Ich brauchte lediglich ein Haar.«
    Abgesehen davon, dass mir keine Zeit geblieben war, das zu tun, hätte es ihm – Haar hin oder her – gar nicht gelingen dürfen, mich aufzuspüren. »Ich habe ein Schutzamulett.« Ich zog die dünne Scheibe unter dem Kragen meines Pullovers hervor und hielt sie wie einen Schutzschild vor mir in die Luft.
    Skyler kam noch näher. Ich wich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen einen Tisch stieß. Er stand jetzt so dicht vor mir, dass ich seinen Atem spüren konnte. Sofort kamen die Erinnerungen an

Weitere Kostenlose Bücher