Die Fluchweberin
annähernd mit Magie in Zusammenhang stehenden Begriff in die Suchmaschine tippte.
In London hätte ich wenigstens eine Anlaufstelle gehabt.Ich hätte mich auf dem Schwarzmarkt umhören und nach entsprechenden Büchern suchen können. Wenn man vorsichtig genug war, konnte man dort und in ein paar einschlägigen Antiquariaten eine Menge Wissenswertes in Erfahrung bringen. Vor Samstag würde ich das Schulgelände jedoch nicht verlassen können, es sei denn, mir fiel eine wirklich gute Ausrede ein, warum ich während der Schulwoche nach London fahren musste. Da aus meiner Akte hervorging, dass ich keine Verwandten mehr hatte, würde mir die Behauptung nicht weiterhelfen, ans Sterbebett meiner kranken Großmutter, Tante oder von wem auch immer eilen zu müssen. So, wie es aussah, hatte ich nur zwei Möglichkeiten – entweder ich schlich mich heimlich davon oder ich musste die Woche durchhalten, bis ich das Schulgelände offiziell verlassen durfte. Wenn ich mich davonschlich und man mich erwischte, wofür die Chancen ziemlich gut standen, drohte mir der Rauswurf. Abgesehen davon, dass ich dann meinen Abschluss nicht machen, nicht mein eigenes Leben führen und jede Menge Ärger mit meiner Pflegefamilie und dem Jugendamt bekommen würde, wären damit meine Probleme noch lange nicht beendet. Was, wenn die Verbindung zu Kim auch über große Entfernung Bestand hatte und ich immer wieder in ihren Geist gesogen wurde, selbst wenn ich mich ganz woanders befand? Dann wäre ich zu weit entfernt, um noch etwas dagegen unternehmen zu können. Das konnte ich nicht riskieren.
Mir blieb also keine andere Wahl, als bis zum Samstag durchzuhalten. Vielleicht konnte ich mich ja krankmelden und mich bis dahin in meinem Zimmer verkriechen, um Kim und ihrer unheimlichen Untermieterin nicht über den Weg zu laufen. Wenn ich gleich zur Schulschwester ging, konnte ich die Woche vielleicht unbehelligt hinter mich bringen.
Entschlossen, die Sache sofort in Angriff zu nehmen,sprang ich auf und prallte mit Kim zusammen, die wie ein wild gewordener Racheengel um die Ecke geschossen kam. Der Aufprall warf mich zurück. Ich ruderte mit den Armen und versuchte mein Gleichgewicht wiederzugewinnen. Vergebens. Noch ein stolpernder Schritt zurück, dann landete ich auf dem Hintern im Gras.
Sofort sprang ich wieder auf die Beine.
Zu spät sah ich die Faust, die mir entgegenraste. Kims Schwinger traf mich im Gesicht und schickte mich erneut zu Boden. Ich setzte mich auf und schüttelte den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden. Gegen den Schmerz, der sich explosionsartig in meinem Schädel ausbreitete, half es nichts.
Kim ragte wie ein drohender Schatten über mir auf. »Ich will sofort wissen, was du gemacht hast, du verdammtes Miststück!« Ihre Miene war so verzerrt, dass sie kaum noch Ähnlichkeit mit der Kim hatte, die ich kannte. »Deinetwegen sterbe ich! Du musst das zurücknehmen.«
Blinzelnd starrte ich sie an, von ihren Worten und dem Schmerz, den ihr Schlag in meinem Gesicht hinterlassen hatte, gleichermaßen überfordert. Ich wusste nur eines: Es war nicht Kim, die da zu mir sprach, sondern das fremde Wesen in ihr. Ich brauchte Informationen und ich musste Zeit gewinnen. Zeit, um einen Weg zu finden, ihr zu entkommen. »Wovon sprichst du?«
»Du hast alles ruiniert! Alles! «
Sie packte ein Holzscheit und holte aus. Ich rollte mich gerade noch rechtzeitig zur Seite, um zu verhindern, dass mich der Prügel am Kopf traf. Stattdessen erwischte mich das Holz am Schlüsselbein. Rote und schwarze Flecken glommen vor meinen Augen und nahmen mir die Sicht. Keuchend versuchte ich auf die Beine zu kommen. Meine Knie waren weich wie Pudding, trotzdem zwang ich mich hoch.
Den nächsten Schlag blockte ich mit meinem Unterarm ab. Taubheit breitete sich von der Stelle, an der mich der Prügel getroffen hatte, über meinen Arm aus. Ich machte einen schnellen Schritt zur Seite, um mein Gleichgewicht nicht erneut zu verlieren, und streckte den unversehrten Arm nach dem Holz aus. Meine Finger glitten über die raue Oberfläche und griffen zu. Mit einem Ruck entriss ich Kim ihren Prügel, wohl wissend, dass dort, wo er hergekommen war, noch jede Menge Nachschub wartete.
Bereit, mich zu verteidigen, hob ich das Holzscheit.
Und hätte es beinahe fallen gelassen, als ich Kims Gesicht sah. Ihre Züge waren zu einer Maske des Zorns und der Verzweiflung erstarrt, Grund genug, es mit der Angst zu tun zu bekommen. Doch es waren ihre Augen, die mich an den Rand
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