Die Fluchweberin
murmelte etwas davon, dass Kim so wütend gewesen war, dass sie überhaupt nicht mehr sie selbst gewesen zu sein schien.
Skyler kaufte es mir ab.
»Was ist denn jetzt eigentlich genau passiert?«
Ich erzählte ihm von meinem Vorhaben, Luft zu schnappen, und davon, wie Kim aus dem Nichts über mich hergefallen war. Im Prinzip hielt ich mich genau daran, was wirklich geschehen war. Lediglich ihre Worte behielt ich für mich. Obwohl ich meine Schilderung mit wenigen Sätzen hinter mich gebracht hatte, brannte mein Hals danach, als hätte mir jemand brennendes Benzin hineingeschüttet. Ich musste immer wieder husten und selbst nach zwei Gläsern Wasser ebbte der Schmerz kaum ab.
Skyler stand auf. »Ich hole dir eine heiße Milch mit Honig. Das hilft gegen das Brennen.«
Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, setzte ich mich auf. Ich wollte abschließen aus Furcht, Kim könne seine Abwesenheit nutzen, doch ich brachte nicht die Kraftauf, mich zu erheben. Schon gar nicht, nachdem ich wusste, dass ich noch einmal aufstehen musste, um ihn wieder hereinzulassen. Also beschränkte ich mich darauf, auf die Tür zu starren und zu hoffen, dass ich laut genug Alarm schlagen konnte, falls die falsche Person mein Zimmer betrat.
Nach zehn Minuten, die mir wie eine Ewigkeit erschienen, kehrte Skyler zurück und gab mir behutsam eine Tasse mit dampfender Milch in die Hand. Ich pustete darauf, bis sie so weit abgekühlt war, dass ich mir meine Kehle nicht noch zusätzlich verbrennen würde, dann trank ich sie mit langsamen Schlucken. Skyler hatte recht gehabt, der Honig und die Wärme der Milch taten wirklich gut. Ich glaubte beinahe zu spüren, wie sich beides als schützender Film in meinem Hals ausbreitete.
Das Adrenalin, das mein Körper während des Kampfes ausgeschüttet hatte, war längst gewichen und mit der Wärme der Milch kam auch die Müdigkeit. Es war noch früh am Abend, doch plötzlich fiel es mir schwer, meine Augen länger offen zu halten.
Skyler griff nach meiner Hand. »Okay, steh auf.«
Blinzelnd sah ich ihn an. »Was? Warum?«
»Du bist müde und ich werde jetzt gehen.«
Warum sollte ich dann aufstehen?
Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte er: »Wenn du jetzt liegen bleibst, kommst du nicht mehr hoch, du solltest aber dringend hinter mir absperren.«
Das klang nicht nur einleuchtend, sondern auch ausgesprochen vernünftig. Ich ließ mich von ihm auf die Beine ziehen und begleitete ihn zur Tür. Er legte die Hand auf den Knauf, dann drehte er sich noch einmal zu mir um. Einen Moment lang sah ich nur seine Augen, dann spürte ich seine Lippen auf meinen. Sanft und zärtlich, als hätte er Angst, mir zusätzliche Schmerzen zu verursachen. Wie ein Lufthauch strichen seine Finger über meine unversehrte Wange. »Hast du Hunger? Soll ich dir etwas zu essen bringen?«
Ich schüttelte den Kopf. Zwar hatte ich mir nicht den Magen verdorben, wie ich behauptete, trotzdem war mir nach den letzten Ereignissen der Appetit mehrmals gründlich vergangen.
»Leg dein Handy auf den Nachttisch«, sagte er leise und küsste mich noch einmal. »Wenn etwas ist, ruf mich an. Dann bin ich da. Egal wann.« Dann ging er.
Ich schloss hinter ihm ab, platzierte mein Handy in Reichweite und kroch wieder ins Bett. Keine Minute nachdem ich das Licht gelöscht hatte, war ich eingeschlafen und erwachte erst wieder, als ein Hämmern meinen traumlosen Schlaf durchbrach. Ich schlug die Augen auf und blinzelte in die Dunkelheit, die sich im Zimmer ausgebreitet hatte. Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir, dass es kurz nach neun war. Ich hatte mehr als drei Stunden geschlafen, fühlte mich allerdings, als wäre es noch lange nicht genug.
Wieder ertönte das Hämmern, das ich dieses Mal jedoch als Klopfen an meiner Tür identifizierte. Ruckartig setzte ich mich auf, den Blick wie hypnotisiert auf den kantigen Umriss der Tür gerichtet. Mein Puls beschleunigte sich. Was, wenn sie es war? Unsinn! Kim würde kaum höflich anklopfen, bevor sie hereinkam, um mich umzubringen.
Wieder ein Klopfen. »Raine?« Zu leise, als dass ich die Stimme hätte einordnen können. Ich konnte lediglich sagen, dass es sich nicht um Kim, sondern um einen Jungen handelte.
Ich stand auf, knipste das Licht an und ging zur Tür. Zum Glück war ich, von meinen Schuhen einmal abgesehen, immer noch komplett angezogen. »Wer ist da?«
»Ich bin es. Max«, kam die gedämpfte Antwort. »Lässt du mich rein, bevor mich jemand hier erwischt?«
Einen
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