Die Fluchweberin
uns nicht sowieso schon sicher gewesen, dass das Amulett der Gegenstand war, nach dem Skyler suchte, hätten wir spätestens jetzt den Beweis dafür gehabt.
Ich hatte den Text gerade fertig überflogen, da drückte Skyler schon die Weiterleiten-Taste und tippte seine E-Mail-Adresse ein. Das Ganze wiederholte er mehrmals. Sobald er die letzten Nachrichten abgeschickt hatte, löschte er alles aus dem Gesendet-Ordner und fuhr den Laptop herunter.
Er klappte den Deckel zu und sah mich an. »Wir haben, was wir brauchen. Verschwinden wir.«
25
Zwei Minuten nachdem wir wie die Diebe aus Max’ Zimmer geschlichen waren, betraten wir Skylers Zimmer. Er knipste das Licht an und verriegelte die Tür hinter uns. Keine zehn Sekunden später saß er mit seinem Laptop auf den Knien auf dem Bett und klopfte neben sich auf die Matratze.
»Setz dich«, forderte er mich auf. »Sehen wir uns an, zu wem uns Max’ Mail führt.«
Mein Blick wanderte unentschlossen zwischen dem Bett und der Tür hin und her. Es war mir unangenehm, mit ihm allein zu sein. Nicht dass wir das vorher nicht auch gewesen wären, aber das hier war sein Schlafzimmer – irgendwie war das noch einmal etwas anderes als ein Einbruch in ein fremdes Zimmer.
Skyler deutete meine Reaktion falsch. »Mach dir keine Sorgen, der Raum ist geschützt. Hier kann uns niemand hören.«
Ich erinnerte mich daran, wie es gewesen war, als ich letzte Nacht vor seiner Tür gestanden hatte. Tatsächlich hatte ich nichts gehört, aber … »Hören vielleicht nicht, aber das Licht ist durch den Türspalt deutlich zu sehen.« Wenn jemand etwas von ihm wollte, würde er wissen, dass Skyler hier war.
Er stellte den Laptop zur Seite, holte ein Handtuch aus dem Bad und verschloss damit den Spalt unter der Tür. Als er fertig war, drehte er sich zu mir um. Ich sah ihm an, dass er etwas sagen wollte, vermutlich eine seiner flapsigen Bemerkungen, statt jedoch den Mund zu öffnen, ging er zu seinem Schrank, holte einen Rollkragenpullover heraus und hielt ihn mir hin. »Zieh den an, der ist bestimmt bequemer als der Blazer.«
Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich noch immer seine Jacke trug. Ein wenig widerwillig befreite ich mich aus dem warmen Stoff und gab sie ihm zurück. Kühle Luft strich über meinen Oberkörper und brachte meinen Entschluss von heute Morgen, die Kälte den Schmerzen vorzuziehen, ins Wanken. Schnell streifte ich den Pulli über, der genauso nach Skyler roch wie der Blazer. Er war tatsächlich bequemer und mindestens genauso warm.
»Okay, dann lass uns mal sehen, was wir haben.« Er warf den Blazer über den Schreibtischstuhl, setzte sich wieder aufs Bett und schnappte sich den Laptop. Ich ließ mich neben ihm auf der Matratze nieder und beobachtete, wie er sein Mailprogramm öffnete. Seine Benutzeroberfläche sah vollkommen normal aus, keine Regierungslogos und keine geheimen Programme – zumindest nicht, soweit ich es auf den ersten Blick erkennen konnte. Ein Laptop, wie ihn tausende Schüler besaßen.
Wir studierten noch einmal Max’ Mailverkehr und kamen beide zu dem Schluss, dass er vermutlich keine Ahnung hatte, was mit dem Amulett verbunden war. Dafür waren seine Mails einfach zu harmlos. Auch im Angebot zur Auktion fanden wir nichts Verdächtiges, das darauf hingedeutet hätte, dass es sich um mehr als ein schönes Schmuckstück handelte.
»Wenn Max nicht wusste, was es mit dieser Kette auf sich hat, wie kann es dann sein, dass die magische Aura plötzlich verschwunden ist?« Im Sekretariat hatten die Magiesensoren noch darauf angesprochen, doch heute hatte Skyler nichts gespürt. Auch nicht, als er das Amulett berührt hatte.
Er schüttelte den Kopf. »Jemand muss es abgeschirmt haben. Die Frage ist nur, wer? Wir sollten Max lieber nicht sofort von der Liste der Verdächtigen streichen.«
»Wir sollten ihn aber auch nicht vorverurteilen.« MitGrauen erinnerte ich mich an den Schüler, den Jake damals angeschwärzt hatte, den Jungen, den wir nie wieder zu Gesicht bekommen hatten, nachdem er von der Magiepolizei abgeführt worden war.
»Hier wird niemand vorverurteilt. Ich sage nur, dass wir für alle Möglichkeiten offen sein sollten.«
»Okay.«
Skyler schnappte sich sein Handy und wählte die Telefonnummer des Verkäufers, die auf der Rechnung stand. Angespannt lauschte ich dem gedämpften Klingelton, der aus dem Lautsprecher drang. Es war mittlerweile Abend, und wenn es sich nicht um einen privaten Verkäufer handelte, standen unsere
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