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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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diese Weise steigert sie ihre Macht, bis sie mehr und mehr die Kontrolle gewinnt.«
    »Gibt es keinen Weg, das zu verhindern?«
    »Runen.«
    »Was?«
    »Wir könnten es mit Schutzrunen versuchen, ähnlichen Zeichen, die auch mich vor Magie schützen. Sie unterdrücken die Seele und verhindern, dass sie die Kontrolle übernimmt.«
    Mir klappte die Kinnlade herunter. »Ich soll mich tätowieren lassen? Ganz?!«
    »Nein, um Himmels willen!« Skyler hob abwehrend die Hände. »In solchen Fällen malen wir die Zeichen mit Henna auf. Wie die verblassenden Tattoos, die sich Touristen gerne beim Strandurlaub verpassen lassen. Das Zeug hält ein paar Wochen, vielleicht ein paar Monate, dann ist es verschwunden.«
    Ein geringer Preis, wenn es mich vor den Übergriffen dieser Seele schützen würde. Ich nickte. »Okay. Versuchen wir es.« Seine Tattoos hatten ihn in den letzten beiden Tagen mindestens zweimal vor magischen Angriffen geschützt. Sicher, er war verletzt worden, aber ohne die Runen wäre er tot gewesen. Wenn die Hennavariante auch nur annähernd so gut wirkte, hatte ich womöglich eine Chance, die ganze Sache mit heiler Haut zu überstehen.
    Kaum hatte ich mein Einverständnis gegeben, stand Skyler auch schon vor seinem Schrank. Er holte eine Sporttasche heraus und zog ein Buch daraus hervor. Der braune Ledereinband war abgegriffen, die Seitenränder vergilbtund die Buchdeckel wurden mit zwei Lederbändern zusammengehalten. Zwischen den Seiten ragten Zettel heraus, die er wohl als Lesezeichen eingeschoben hatte. Fast schon vorsichtig stellte er die Tasche an ihren Platz zurück und setzte sich mit dem Buch in der Hand aufs Bett.
    »Ich hoffe, dass ich darin die richtigen Zeichen finde.«
    »Du kennst sie nicht?«
    »Ich kenne eine Menge Schutzzeichen, aber ich kann sie dir unmöglich alle aufmalen«, sagte er. »Und bevor wir beginnen, muss ich sichergehen, dass es die richtigen sind.«
    Er löste die Bänder und schlug das Buch auf. Stille breitete sich aus, einzig vom Rascheln der Seiten durchbrochen, wenn er umblätterte. Ich saß schweigend daneben und verdrängte die unzähligen Fragen, die mir durch den Kopf gingen. Wenn in diesem Büchlein wirklich die Lösung für mein Problem mit der Seele stand, würde ich den Teufel tun und Skyler jetzt stören. Für meine Fragen war später auch noch Zeit. Die Minuten zogen dahin, wurden zu einer Stunde, dann zu zwei, ehe Skyler schließlich mit einem Kopfschütteln das Buch schloss.
    »Nichts.« In seinem Tonfall schwang dieselbe Frustration mit, die auch ich in diesem Augenblick empfand. Wobei es bei mir wohl über bloße Frustration hinaus schon eher in Richtung nackter Angst ging.
    »Und jetzt?«
    Skyler packte das Buch wieder in die Tasche zurück und griff nach seinem Handy. »Jetzt werde ich im Hauptquartier nachfragen.« Er seufzte. »Vermutlich hätte ich das schon vor zwei Stunden tun sollen.«
    Auch wenn im Hauptquartier vielleicht jemand wusste, mit welchen Symbolen ich mich vor der Seele schützen konnte, gefiel mir der Gedanke nicht, dass Skyler sie in diese Sache hineinzog. Andererseits würde mein Name ohnehin spätestens in seinem Bericht auftauchen – so oder so, die Magiepolizei würde von meiner Beteiligung erfahren. Es gab also keinen Grund, nicht jede Hilfe in Anspruch zu nehmen, die ich unter diesen Umständen bekommen konnte.
    Es dauerte eine Weile, ehe jemand Skylers Anruf entgegennahm. Kunststück, es war mitten in der Nacht, und selbst wenn das Labor, ihre Zauberküche oder wie immer sie den Ort nannten, an dem ihre Zauberer ihren Dienst taten, vermutlich rund um die Uhr besetzt war, arbeiteten sie um diese Zeit sicher nur mit einer Notbesetzung.
    Als endlich jemand abnahm, hielt ich den Atem an. Angespannt hörte ich zu, wie Skyler mit erstaunlich wenigen Worten sein Problem schilderte. Mein Name fiel nicht. Auch vermied er jede größere Beschreibung. Stattdessen klangen seine Ausführungen fast schon hypothetisch – eine Seele in einen Gegenstand gebunden, die nun auf einen Menschen übertragen werden sollte. »Die Übertragung hat begonnen«, sagte er. »Ich brauche die Zeichen, die verhindern, dass die Seele an Macht gewinnt, und die sie unter Verschluss halten, bis wir sie entfernen können.«
    Er lauschte der Antwort, gab hin und wieder ein »Hm« oder ein »Ja« oder »Nein« von sich. Dann sagte er »In Ordnung, aber beeilt euch« und beendete das Gespräch.
    »Schicken sie dir eine Mail mit den Zeichen?«
    Er verzog das Gesicht.

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