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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Als er jedoch im Laufe des Tages auch nicht im Unterricht auftauchte, begann ich mir Sorgen zu machen, die sich erst in Nichts auflösten, als ich von einem seiner Basketballkumpels hörte, er sei wegen einer familiären Angelegenheit nach Plymouth gefahren.
    Der Tag verlief so friedlich wie schon lange nicht mehr.Skyler sorgte für ständigen Kaffeenachschub und ich hatte das Gefühl, dass die braune Brühe mit jeder Tasse stärker wurde. Noch ein paar Tassen und ich würde Herzrasen bekommen.
    Nicht nur für meinen Kaffee war gesorgt, sondern auch für meinen Schutz. Wie schon zuvor hatte er Lily und Mercy darauf angesetzt, mich überallhin zu begleiten, wohin er mir nicht folgen konnte. »Nur um sicherzugehen, dass Kim nicht noch einmal was versucht«, hatte er erklärt.
    Die beiden hätten gar keine Erklärung gebraucht, sie warteten nämlich nur darauf, mich allein in die Finger zu bekommen, um mich über letzte Nacht auszufragen.
    »Seid ihr jetzt fest zusammen?«, platzte es aus Mercy heraus, als wir das erste Mal an diesem Morgen den Waschraum betraten.
    Wir sind weiter davon entfernt als jemals zuvor. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, sind wir nicht.«
    »Was? Warum nicht?« Lily sah vom Waschbecken auf, wo sie sich gerade die Hände gewaschen hatte, und richtete ihren Blick auf mein Spiegelbild. »Ihr habt die halbe Nacht miteinander verbracht!«
    Wenn ich ihr gesagt hätte, dass es sogar die ganze Nacht gewesen war, wäre sie vermutlich in Ohnmacht gefallen. Stattdessen zuckte ich die Schultern. Wie sollte ich den beiden erklären, dass sich die Dinge zwischen Skyler und mir grundlegend verändert hatten? Die Wahrheit konnte ich nicht sagen, und um irgendwelche Lügen zu erfinden, fühlte ich mich heute nicht fit genug.
    »Sag nicht, dass er schüchtern ist! Nie im Leben!«
    Auf Skyler mochte vieles zutreffen, aber schüchtern war er nun wirklich nicht. Das war keine Aussage, auf der ich mich ausruhen konnte. »Es geht mir einfach alles zu schnell«, war die einzig plausible Antwort, die mir einfiel.
    »Aber du magst ihn!«
    Nachdem wir die letzten beiden Wochen beinahe ununterbrochen zusammen gewesen waren, hätte es merkwürdig ausgesehen und nur noch weitere Fragen provoziert, wenn ich etwas anderes als Ja darauf geantwortet hätte. »Gebt mir einfach noch ein paar Tage Zeit. Ich verspreche euch, ihr werdet die Ersten sein, die es erfahren.« Mit ein wenig Glück war Skylers Auftrag bis dahin beendet und er hatte Holbrook Hill längst verlassen. Ich würde ein paar Tage die traurige Verlassene spielen und schließlich würde alles wieder seinen gewohnten Gang gehen. Daran, dass es mich womöglich in ein paar Tagen gar nicht mehr geben würde – oder nur noch meinen Körper, besetzt von einer anderen Seele –, wollte ich im Augenblick nicht denken.
    Ich verschwand in einer der Kabinen, schloss hinter mir ab und gab vor, die Fragen, mit denen mich Lily und Mercy bombardierten, nicht mehr zu hören.
    Der Vormittag verging, ohne dass ich Probleme hatte, die Augen offen zu halten. Ich wusste nicht, ob es das Koffein war, das mich wachhielt, oder weil ich nach so einer Menge Kaffee alle naselang auf die Toilette musste – so oder so: Es funktionierte.
    Keine Blackouts und auch keine Ausflüge in Kims Geist.
    Kim ging mir erfreulicherweise aus dem Weg, trotzdem ertappte ich mich immer wieder dabei, wie ich sie beobachtete. Ich suchte nach Anzeichen dafür, dass sie noch immer unter einem Zauber stand oder unter den Nachwirkungen meines Fluchs litt. Aber da war nichts. Sie sah gesünder aus, nicht mehr so blass wie in den letzten Tagen, und sie griff kein einziges Mal nach ihren Schmerztabletten. Kunststück, die schluckte ja jetzt ich.
    Hätte ich in der Sporthalle nicht mit eigenen Augen gesehen, wie ihr die Trennung von Max zu schaffen machte,wäre ich nicht auf den Gedanken gekommen, dass sie sich auch nur im Geringsten daran störte. Sie flirtete wie verrückt mit den Jungs aus dem Basketballteam und begegnete uns anderen mit der gewohnten Arroganz. Es war eine Maske, aber immerhin war es Kims eigene Maske und nichts, was durch den Einfluss eines Zaubers oder eines anderen Wesens hervorgerufen wurde.
    Mittags waren Skyler und ich die Ersten an unserem Tisch. »Hast du schon etwas gehört?«, fragte ich zum wohl hundertsten Mal an diesem Tag.
    Er stellte sein Tablett ab, fischte das Handy aus seiner Hosentasche und warf einen Blick auf das Display. »Immer noch nichts.«
    »Scheint ein ziemlich großer

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