Die Fluchweberin
Weise geschützt war? Die Frage wollte mir nicht über die Lippen kommen.
»Immer.« Er deutete mit dem Pinsel auf mich. »Und bevor du nach Beweisen fragst – der steht vor dir.«
»Du?«
Er nickte. »Bisher habe ich die Zeichen nur bei mir angewandt, und wie du siehst, lebe ich noch. Wenn ich die richtigen Symbole kenne, weiß ich also, was ich tue.«
»Sollten deine Tattoos nicht ausreichen, um dich zu schützen?«
»Gegen die gängigsten Bedrohungen schon«, sagte er. »Der Platz für Tätowierungen ist allerdings ein wenig begrenzt, um jeden erdenklichen Fall mit Runen abzusichern. Zumindest, wenn du hinterher nicht wie irgendein Stammeskrieger von oben bis unten voller Tätowierungen sein möchtest.«
Ich bezweifelte, dass das der wahre Grund war. Skyler glaubte an das, was er tat. Er verfolgte die Magie mit aller Macht. Warum sollte er also darauf verzichten, sich so umfangreich zu schützen wie nur möglich? Darauf fiel mir nur eine Antwort ein: Die Tätowierungen mussten sich noch gut unter der Kleidung verbergen lassen, um seine Tarnung nicht zu gefährden.
»Manchmal«, fuhr er fort, »bekommt man es mit Formen der Magie zu tun, auf die man nicht vorbereitet ist. Für den Fall habe ich meinen kleinen Malkasten hier dabei.«
Ich fragte mich, wie oft er wohl in seinem Alltag mit Situationen in Berührung kam, auf die er nicht vorbereitet war – und wie gut seine Chancen standen, noch ausreichend Zeit zu haben, um sich mit ein paar Pinselstrichen davor zu schützen. Dann fiel mir etwas anderes ein. »Du willst aber jetzt nicht …? Also die Stelle, an der du die Runen anbringst …«
Er grinste und für einen Moment sah ich meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Dann schüttelte er den Kopf. »Keine Sorge, du musst dich nicht ausziehen. Wir nehmen deinen Arm. Der Unterarm sollte genügen.«
Ich stieß erleichtert die Luft aus, was ihm ein Lachen entlockte.
»Mach den Arm frei, dann fangen wir an.«
27
Ich schob den Ärmel des Pullovers zurück und machte mich am Ärmelknopf meiner Bluse zu schaffen, als mich das Klingeln des Handys zusammenfahren ließ. Skyler schnappte es sich und warf einen Blick auf das Display.
»Das ist er!« Er setzte sich neben mich aufs Bett und schaltete sofort den Lautsprecher dazu. »Skyler Matthews hier. Danke für Ihren Rückruf, Mr Mortens.«
Ein Rauschen in der Leitung verstärkte den Eindruck, dass jedes gesprochene Wort erst den Atlantik überqueren musste, ehe es seinen Empfänger erreichte.
»Was kann ich für Sie tun, Mr Matthews?«
»Wir sind im Besitz eines Erbstücks, das Sie vor Kurzem an einen Onlinehändler verkauft haben, und würden gerne etwas über seine Geschichte erfahren.«
»Hm. Nun ja … Sie müssen wissen, dass ich Onkel Grahams gesamtes Erbe verkauft habe und nicht mit jedem einzelnen Stück vertraut bin. Ich kann Ihnen aber versichern, dass es sich bei den Stücken um keinen übermäßigen Schatz handelt. Falls der Verkäufer zu viel von Ihnen verlangt haben sollte, tut es mir leid, das ist jedoch eine Angelegenheit, die Sie mit ihm klären sollten.«
»Es geht nicht um den Preis, Mr Mortens, sondern um das Objekt an sich. Das Schmuckstück scheint etwas Besonderes zu sein.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen.
»Ich vermute, es handelt sich um ein Medaillon.«
Skyler warf mir einen vielsagenden Blick zu, den ich nicht recht zu deuten wusste. Wollte er mir zu verstehen geben, dass wir der Geschichte des Amuletts auf der Spur waren,oder sah er in Buster Mortens einen Verdächtigen, den er jeden Moment von seinen Leuten hochnehmen lassen würde?
»Ja, Sir«, bestätigte Skyler. »Ein Medaillon aus ziseliertem Silber.«
»Sie haben da ein wirklich schönes Stück erworben mit einer interessanten Geschichte.« Er lachte. »Einer Geschichte, die ich als Junge so oft zu hören bekam, dass sie mir damals beinahe zu den Ohren herauskam. Heute allerdings ist es eine schöne Erinnerung an ein Stück Kindheit. Tatsächlich bin ich sogar froh, dass Sie anrufen und ich sie Ihnen erzählen kann. Ohne sie wäre Onkel Grahams Erbe irgendwie unvollständig.«
So, wie er darüber sprach, war ich mir sicher, dass er nichts mit der Magie zu tun hatte. Für ihn war das Amulett nichts weiter als eine Kindheitserinnerung.
Skylers Augen glänzten erwartungsvoll. Das Haar fiel ihm in die Stirn und warf einen Schatten auf sein Gesicht, der ihn in Verbindung mit der Narbe auf seiner Wange fast schon bedrohlich aussehen ließ. Wie ein
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