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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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ihrem verdammten Steinfußboden stehen und sie verleumden!
    Schon nach wenigen Tagen bekam sie ein eigenes Zimmer. Als sie die Station betreten hatte, war einer der anderen Patientinnen sofort klar gewesen, dass sie die Jungfrau Maria sei und in ihrem Bauch ein neues Jesuskind wachse. Das durfte sie gern glauben, wenn sie wollte, aber schließlich hatte das Personal das ewige Lamento über die Vergebung der Sünden satt und die effektivste Lösung war, Sibylla ein eigenes Zimmer zu geben. Bei sich dankte sie der kranken Frau für ihren Einsatz und zog dankbar die Tür hinter sich zu.
    Es war ihr am allerliebsten, wenn man sie einfach in Ruhe ließ.
    Der Bauch wuchs.
    Ab und zu kam eine Hebamme und horchte ihn mit einem Holztrichter ab, um sich zu vergewissern, dass mit dem, was dort drinnen wuchs, alles zum Besten stand. Das tat es offensichtlich, denn sie kam nicht sehr oft. Sibylla bekam ein Buch über Schwangerschaft und Geburt zum Lesen. Das verstaute sie in dem mit Rädern versehenen Nachtschränkchen.
    Nun durfte sie sogar auf dem Krankenhausgelände allein spazieren gehen; es war nämlich gut, wenn sie sich bewegte. Sie verbrachte täglich mehrere Stunden draußen. Wenn sie am äußeren Zaun entlangging, war es ein ganz passabler Spaziergang. Die weißen Steinhäuser waren von außen wirklich schön anzusehen, jedenfalls von weitem, und wenn sie blinzelte, konnte sie sich fast vorstellen, in einem Schlosspark zu sein.
    Der Mann, der sie zum Sprechen bringen wollte, kam ebenfalls nicht sehr oft. Er hatte wohl kränkere Patienten, die ihn brauchten. Sie war ja nicht mehr verrückt, nur schwanger. Und er konnte ja nichts dafür, dass dies in dem Haus, aus dem sie kam, im Grunde ein und dasselbe war.
    Nein, im Großen und Ganzen erwartete man von ihr, dass sie für sich selbst sorgte.
    Es waren eigentlich noch zwei Wochen hin, als die erste richtige Wehe kam. Ein Schmerz, so intensiv wie ein plötzlicher Hammerschlag. Und dann wieder weg. Sie war allein in ihrem Zimmer und legte sich vor Schreck wie gelähmt auf ihr Bett. Was geschah ihr da bloß? Und dann wieder dieser Schmerz. Heftig und kompromisslos. Irgendetwas in ihr war entzweigegangen.
    Dann quoll eine Flut zwischen ihren Beinen hervor. Nun würde sie sterben. Nun würde sie doch noch ihre Strafe erhalten. Es war etwas entzweigegangen, und jetzt strömte das Blut aus ihr heraus.
    Als der Schmerz wieder abklang, sah sie auf ihre Beine hinunter. Da war gar kein Blut. Hatte sie sich vielleicht versehentlich angepinkelt?
    Bei der nächsten Schmerzwelle schrie sie laut. Eine Minute darauf ging die Tür auf und eine Pflegerin kam hereingestürzt. Sie befühlte das nasse Laken und Sibylla schämte sich.
    «Helfen Sie mir bitte. Ich bin entzweigegangen.»
    Die Person lächelte sie jedoch nur an.
    « Beruhigen Sie sich, Sibylla. Sie kommen mit dem Kind nieder. Warten Sie, ich telefoniere nach einem Transport.»
    Sie eilte wieder hinaus. Transport? Wohin würden sie sie denn transportieren?
    «Viel Glück, Sibylla.»
    Diese Worte klangen ihr in den Ohren, als man die Krankentrage, auf der sie lag, in einen Ambulanzwagen schob.
    Jetzt lag sie allein in einem Zimmer eines anderen Krankenhauses.
    «Sollen wir Ihren Mann anrufen?»
    Sie hatte den Kopf geschüttelt, worauf ein unsicheres Schweigen folgte.
    «Möchten Sie, dass wir jemand anders anrufen?»
    Sie hatte nicht geantwortet, sondern die Augen zugemacht, um zu versuchen, die nächste Schmerzwelle abzuwehren, aber sie hatte keine Chance. Nichts, was sie tat, konnte diesem unerträglichen Schmerz, der von ihr Besitz ergriffen hatte, Einhalt gebieten. Sie war jetzt nur noch Körper. Ein Körper, ganz jener Kraft unterstellt, die ein ausreichend großes Loch in sie zu brechen versuchte, um das herauszulassen, was sich in ihr befand. Sie hatte dabei nichts zu sagen. Ihr war jeglicher eigener Wille genommen, sie war dieser ungezügelten, zielgerichteten Kraft ausgeliefert, die ihr keine Ruhe mehr lassen würde, bis sie bekommen hätte, was sie wollte.
    Sie sollte Leben schenken.
    An der Wand gegenüber hing eine weiße Wanduhr. Der einzige Beweis dafür, dass die Welt irgendwo weiterging, war, dass der Minutenzeiger in regelmäßigen Abständen einen Schritt vorrückte.
    In langen Abständen.
    Die Stunden vergingen.
    Ab und zu kam jemand herein und sah nach ihr. Im Raum nebenan konnte sie eine andere Frau schreien hören.
    War es ihrer Mutter genauso ergangen, als sie geboren wurde? Hatte sie sie deshalb nie

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