Die Flüchtlinge des roten Mondes
gehabt. Ich bin ein solcher Feigling, daß ich kaum in der Lage sein werde, überhaupt erwachsen zu werden, aber aus irgendeinem Grund habe ich vor den Sternen keine Angst. Und Ihr seid die einzige Person, die ich kenne, die so denkt wie ich und keine Angst vor ihnen hat.“
Er hielt inne. In dem hellen Sternenschein sah Dane, wie sich sein Gesicht wütend zusammenzog.
„Im Dorf sagen sie, daß in den Sternen Dämonen leben und daß die Heiligen und Gesegneten im Boden sind, um uns zu beschützen. Aber ich glaube das alles nicht! Das sind Märchen, wie sie uns die Großmütter erzählen, über den Zwerg, der den Kindern die Milchzähne stiehlt und sie einpflanzt, damit daraus Felsen wachsen. Märchen! Ich glaube nicht, daß es Götter, Heilige oder Gesegnete gibt und auch keine Dämonen in den Sternen. Und wenn ich es glaubte …“ Wieder blickte er in den funkelnden Himmel und sagte mit ernster Stimme: „Wenn ich es glaubte, würde ich es andersherum glauben, nämlich, daß der Himmel der Ort der Heiligen und Gesegneten sei. Seht doch, Reisender aus Raife, kann etwas so Wunderschönes unheilvoll sein?“
Dane antwortete: „Du hast recht, weißt du. Da gibt es nichts zu fürchten.“ Und er fragte sich, ob es richtig war, den Jungen gegen die Tabus seiner Kultur aufzubringen.
„Ist das, weil Ihr aus Raife seid? Glaubt man in Raife nicht an Sternendämonen, Fremder?“
„Ich heiße Dane“, sagte dieser, „und ehe ich hierherkam, habe ich noch niemals von Sternendämonen gehört.“ Nun, das stimmte auch. „Aber ich habe vor kurzem etwas über Sternendämonen gehört, die wirklich erschienen sein sollen – die die Leute erschreckt und verschleppt haben. Ich bin weit weg von zu Hause, und an merkwürdigen Dingen bin ich immer interessiert. Merkwürdige Vorgänge.“
„Abergläubischer Unsinn“, schnappte Joda. „Märchen, um die Kinder zu erschrecken. Leute, die von Sternendämonen fortgetragen und gezwungen wurden, für sie zu arbeiten. Geheimnisvolle Waffen, die keine Menschenhand schmieden kann. Dämonen, die als Tierungeheuer durch den Wald stolzieren. Die Heiligen, die die Dämonen vertreiben – alles Unsinn und widersprüchlich!“
Vielleicht , dachte Dane, dem die Kirgon-Waffe einfiel, vielleicht lassen die Wesen, die diese Waffen benutzen, jeden Dämonen vergleichsweise harmlos erscheinen. Wenn du davon einen triffst, Junge, brauchst du keinen Dämonen mehr.
Und was, fragte er sich, würden diese Menschen uns antun, auch der Junge Joda, wenn sie nur erahnten, wo wir wirklich herkommen? Wenn die Sterne böse sind – was würde mit uns, die wir von den Sternen kommen, geschehen, wenn sie die Wahrheit entdeckten?
„Es gibt keinen Grund, vor den Sternen Angst zu haben“, sagte er, „aber die Nachtkühle ist für eine frische Wunde nicht gut. Geh doch zurück ins Zelt und schlaf dich aus, ja?“
„Ihr seid nicht mein Herr.“ Der Junge spuckte ihn an. „Das ist sie!“
Danes Nachgiebigkeit gegenüber Joda verschwand plötzlich wieder. Verwöhntes, faules Kind! Kein Wunder, daß sein eigener Vater seinen Anblick nicht ertragen kann.
„O Hölle“, sagte er. „Dann bleib doch hier, hol dir den Tod, und mir soll es egal sein!“ Kochend ging er zurück in das Zelt. Sternendämonen, aber wirklich!
8
„Aber es war weiß. Ich schwöre es!“
Dane setzte den Becher mit dem süßlichen Bier der Eingeborenen ab, von dem er getrunken hatte. Ein Schauder rann ihm den Rücken herab. Die Stimme war aus dem Hintergrund des großen schattigen Raums, der den Zweck einer Schenke erfüllte, an sein Ohr gedrungen.
„Weiß? Du bist zu lange in der Mittagssonne gewesen“, antwortete die andere Stimme entschieden. „Wie kann ein Dämon von den Sternen weiß sein? Vielleicht hast du eine Vision der Gesegneten oder der Heiligen gehabt …“
„Es war kein Heiliger und keiner aus dem Reich der Gesegneten“, beharrte die Stimme. „Ich habe das Ding gesehen, und es war weiß!“
Ein Chor von Gelächter antwortete ihm. „Gesehen! Ha, wenn du einen Sternendämon gesehen hättest, würdest du nicht mehr hier sitzen können und erzählen, daß er weiß gewesen ist!“ Eine Stimme übertönte die anderen, und Dane stand still auf und ging, die Schale vorsichtig in der Hand tragend, an der Wand entlang und suchte sich einen Weg zwischen den Tischen hindurch. In seinem Kopf klang die Stimme aus dem Informationswürfel, den Vilkish F’Thansa kurz vor seinem geheimnisvollen Tod oder Verschwinden
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