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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Werkzeuge und reichte ihr Nägel. Und während die Regentropfen auf das Dach prasselten, unterhielten sie sich und erzählten einander Geschichten über ihre Familien und Freunde. Sie sprachen über das Leben, das sie führten und wie sie es in der Zukunft gestalten wollten. Auf diese Weise kamen sie sich näher. Eines Abends fielen sie einander in die Arme und trennten sich erst am nächsten Morgen. Ozchan erwachte an ihrer Seite, erinnerte sich und sah Meya überrascht und besorgt an. Sie lächelte und zog ihn an sich. Und dann war er wieder in ihr. Allmählich wurde es für ihn leichter.
    Und dennoch blieb etwas zurück, das ihm Gedanken machte, ohne daß es etwas mit ihm oder Meya zu tun hatte. Er dachte an das Zimmer, in dem Jason lag, an den Halaeabaum vor dem Fenster und den durchsichtigen Bottich. Er dachte an den sich langsam verändernden Jason. Und er war nicht der einzige, der sich Gedanken machte. Man konnte die Anspannung in den Zügen jedes einzelnen Hausbewohners sehen. Man empfand sie in den Klängen von Tabors Flöte und im Geschrei Mims, wenn sie sich über irgendeinen Zwischenfall in der Küche aufregte. Ozchan blieb still und ließ dieses Gefühl auf sich einwirken. Dann wandte er sich Meya erneut zu. Er hatte den Eindruck, als sei die Zeit stehengeblieben.
     
    „Ich sterbe! Ich löse mich auf! Schau mich an!
    Verdammt noch mal, ich bin doch kein Versuchskaninchen. Ich bin keins von deinen verdammten Experimenten. Du mußt mir helfen, Hart. Sieh doch nur, sieh dir meine Arme an. Und meinen Mund! Du mußt etwas für mich tun!“
    „Hör auf zu schreien, Drake. Du hast noch eine Menge Zeit.“
    „Ich will aber nicht mehr warten. Ich will, daß du mir hilfst!“
    „Warte ab. Jason macht gute Fortschritte. In ungefähr vier Wochen kann ich ihn aus dem Bottich nehmen. Dann bist du an der Reihe.“
    „Ich werde es nicht mehr so lange aushalten. Bis dahin werde ich tot sein.“
    „Das wirst du nicht. Du wirst bis dahin ein bißchen abgebaut haben, sicher, aber du wirst nicht tot sein. Wenn es schlimm werden sollte, kann ich dich immer noch mit den Maschinen in Hokus Hospital am Leben erhalten, bis der Bottich für dich frei wird. Beruhige dich, Drake, du hast keinen Grund, dir Sorgen zu machen.“
    „Du willst mich krepieren lassen, stimmt’s? Ich werde dir das nicht vergessen, Kennerin. Ich werde dir nicht vergessen, was du mir antust. Wenn du glaubst, daß du nach alldem auch nur noch eine Fremark von mir sehen wirst …“
    „Halt die Klappe, Drake. Du wirst nicht sterben. Und ich habe auch nicht vor, dich krepieren zu lassen.“
    „In vier Wochen werde ich tot sein.“
    „Nur, wenn du wirklich tot sein willst. Hier, trink noch einen Brandy. Und dann sei für eine Weile still, ja? Ich muß noch dieses Band fertigmachen.“
    „Das werde ich dir nicht vergessen, Kennerin.“
    „Nein, das kann ich mir gut vorstellen.“
    Meya ließ die Säge sinken und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Der Regen klopfte monoton gegen die Fensterscheiben und erzeugte ein hohles, unendlich verloren klingendes Geräusch. Das Haus knarrte im Wind, die Kamine seufzten. Quilla und Tabor waren im Stall, die Zwillinge in der Schule, und Mim war nach Haven gegangen, um Freunde zu besuchen. Ozchan war in den Morgenstunden gegangen, um den Tag bei Hoku im Hospital zu verbringen. Meya stellte sich Ozchans hochgewachsenen, dunkelhäutigen Körper neben der kleinen, verhutzelten Gestalt Hokus vor, dann verglich sie ihn mit ihrem eigenen. In der vergangenen Nacht hatten seine Lippen kleine Flecke auf ihren Schultern zurückgelassen. Meya betastete sie zärtlich mit den Fingern und spürte plötzlich, daß sie errötete, als sie daran dachte, wie sein Körper geschmeckt hatte. Sie legte die Lederschürze ab und hängte sie an die Wand, dann wusch sie sich die Hände und ging in die Küche.
    Süße Brötchen. Sie waren am Morgen gebacken worden und immer noch warm. Sie setzte sich an den Küchentisch, aß langsam und fragte sich, wie sie den Rest des Tages verbringen sollte. Sie mußte etwas finden, um die Zeit bis zu Ozchans Rückkehr totzuschlagen. Sie mußte ihren Geist mit irgend etwas beschäftigen. Sollte sie in den Stall gehen? Nein, nach hochtrabenden Gesprächen über Gemüse und Gemüsesamen stand ihr heute nicht der Sinn.
    Nach Haven? Hoku und Ozchan würden beschäftigt sein. Ein unerwarteter Besuch mußte ihnen ungelegen kommen. Sie konnte Puti besuchen und mit ihren Kleinen spielen oder nachsehen, was bei

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