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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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irgendwie anders – aber nicht auf allen Planeten, nur hier, auf Aerie. Im Weltraum gibt es keine Liebe, Meya. Es gibt dort Größe, Platz, Leere und … nun, Transzendenz. Satori. Es erhitzt dein Blut und läßt dein Herz schneller schlagen. Deine Lungen schnappen nach Luft, und du bekommst eine Gänsehaut, aber wenn der Dienst vorbei ist, vermißt du irgend etwas. Wie das Gefühl, es mit Geistern getrieben zu haben oder mit den Huren in den Häfen. Dann ist nichts mehr da. Nur noch du selbst. Und du fühlst dich … benutzt.“
    Jes spürte, daß sie fröstelte. Er wandte sich um. Meya schmiegte sich enger an ihn. Er legte seinen Umhang um sie, so daß er sie beide umhüllte.
    „Die Liebe war hier, zu Hause“, sagte er. „Jason, Mish, Quilla, die Zwillinge. Du. Wenn ich nach Hause kam, konnte ich sie bekommen, brauchte nur die Hände auszustrecken. Sie machte mich satt. Nach einer Weile aber spürte ich stets wieder dieses Gefühl. Ich vermißte die Stille, die Ekstase. Die Heimat hat mich stets wieder hinausgetrieben. Wenn ich dann wieder ein paar Fahrten gemacht hatte, zog sie mich erneut wie magisch an. Ich habe geglaubt, das würde für immer so weitergehen, aber dann habt ihr auch das geändert.“
    „Jessie …“
    „Ich weiß. In Ordnung. Ich werde nicht davon reden. Als ich heimkam, erwartete ich, daß alles so weitergehen würde wie immer. Statt dessen fand ich überhaupt nichts mehr in dieser Art vor. Quilla ist mit Tabor beschäftigt, Mish nicht da; du hast diesen Außenweltler. Und jedermann huldigte einem atmenden Leichnam.“
    „Pssst.“ Sie legte einen Finger auf seine Lippen. „Nicht. Wenn wir etwas falsch gemacht haben, haben wir uns einer trügerischen Hoffnung hingegeben. Ich habe immer irgendwie damit gerechnet, daß ich eines Morgens zu ihm hineingehen und er mich um ein Frühstück bitten würde. Ich glaubte, Hoku und Ozchan würden irgendwas erfinden, das ihn wieder zu einem normalen Menschen machen würde. Wir haben uns närrisch benommen, Jes, aber es geschah aus Liebe. Es war furchtbar, ihn noch einmal zu verlieren.“
    „Deshalb hast du deine ganze Liebe einem Leichnam geschenkt. Für mich war nichts mehr übrig.“
    „Ich bitte dich, Jes.“ Meya ließ ihn los und ging zur Kom-Anlage hinüber. Jes starrte auf ihren Bauch.
    „Warum?“ fragte er. „Du hast es vorsätzlich getan. Warum?“
    „Ich brauchte Ozchan. Ich wollte ein Baby. Wo soviel Leben endete, wollte ich einfach etwas, das zu leben anfing. Und außerdem liebe ich ihn, Jes.“
    „Aber mich nicht.“
    „Nicht doch. Nicht schon wieder.“
    Er ignorierte ihr bittende Stimme. „Na, dann liebe ihn eben. Und laß dir ein Baby nach dem anderen machen, bis von dir nichts anderes mehr übrig ist.“
    Meya hob den Kopf und starrte ihn an.
    „Glaubst du“, sagte sie bedächtig, „daß ich dir überhaupt zuhören würde, wenn ich dich nicht liebte? Glaubst du, ich hätte sonst meine ganze Zeit mit dir verbracht? Glaubst du, ich hätte dir sonst dabei zugehört, wie du alle Menschen haßt? Ich habe die ganze Zeit über angenommen, du würdest darüber hinwegkommen, aber du schaffst es nicht. Du steigerst dich immer weiter in deinen Haß hinein. Wenn dich niemand mehr liebt, liegt es vielleicht daran, daß du nicht einmal mehr selbst etwas für dich übrig hast.“
    „Das ist nicht wahr!“ schrie Jes, aber Meya hatte die Tür bereits geöffnet und verschwand im Regen. Er verharrte, starrte die Tür an und fing an zu zählen. Als er die Fünfhundert erreicht hatte, ging er hinaus und schloß die Station hinter sich ab.
     
    Mit dem Sonnenuntergang war die Wolkendecke aufgerissen. Sie offenbarte eine in flammenden Farben untergehende Sonne, die die Unterseite der Wolken rot färbte und die fernen Kaedowälder ahnen ließ. Die Familie versammelte sich auf der Veranda und schaute dem Naturereignis zu. Jes hatte sich von den anderen abgesondert und beobachtete sie. Meya, die in der Nähe Ozchans stand, drehte sich um und ging ins Haus zurück. Ozchan, der sie dabei ansah, musterte Jes anschließend mit einem kalten Blick. Jes ignorierte ihn. Kurz darauf kehrte Meya mit Mish zurück. Mish legte die Hände auf das Geländer und blickte nach Westen. Die Sonne verschwand in einem hellen Geflacker. Der Himmel wechselte die Farbe.
    „Das hätte Jason sehen sollen“, sagte Mish leise. Meya streichelte ihre Schulter. Sie sah ihre jüngste Tochter an und gab ein kurzes, befangenes Lächeln von sich. Dann wechselte sie die

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