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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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verbracht hast. Wie schnell du doch mit unserer Aristokratie zu Rande gekommen bist, Menet Kennerin. Bilde dir bloß nichts darauf ein.“ Hart sah durch die offene Tür in den sonnenbeschienenen Hof hinaus und erinnerte sich an das Gefühl kräftiger Gliedmaßen und ebenmäßiger, goldfarbener Haut. Ihm war noch gar nicht bewußt geworden, wieviel er plötzlich zu verlieren hatte.
     
    Die Hochzeit fand in einer solchen Stille statt, daß die Aristokratie geradezu aus dem Häuschen geriet, als sie davon hörte. Die Reaktion darauf bestand aus einer Mischung von Neugier und Verärgerung, und man regte sich darüber auf, daß das bisher gutfunktionierende Klatschsystem niemanden auch nur mit dem geringsten Hinweis auf das bevorstehende Ereignis versorgt hatte. Die Braut – die jüngste Tochter einer Familie vom Lande – ließ sich am Tag nach der Zeremonie zum ersten Mal bei Hofe blicken. Es war ein einfaches Mädchen, das zudem noch schüchtern war. Es stand neben dem Erzbischof und wirkte in seiner prächtigen Kleidung ganz verloren. Hart musterte sie mit einer geradezu klinischen Neugier und fragte sich, ob man ihr überhaupt gesagt hatte, wessen Kind sie austragen würde. Er fragte sich außerdem, wie intelligent sie war und ob man sie unter Druck gesetzt hatte, damit sie nicht redete. Ahnte sie, daß sie einen stillen Tod sterben würde, nachdem sie ihre Rolle erfüllt hatte? Aber ihr ultimates Schicksal war für ihn nur von sekundärem Interesse. Hart musterte ihr breites Becken, ihre schweren Brüste, ihre starken Rückenmuskeln und war mit ihr einverstanden.
    Tara löste sich von der Versammlung und nahm neben ihm auf der Bank Platz. Ihre Juwelen klimperten, als sie eine bequemere Position einnahm. Ihr kastanienbraunes Samtgewand leuchtete in der Helligkeit. Sie maß den Thron mit einem finsteren Blick und nagte leicht an ihrer Unterlippe. Es war nicht das erste Mal, daß sie diese unbewußte Geste machte: Er erinnerte sich, sie genauso schon zwischen den zerwühlten Laken seines Bettes gesehen zu haben.
    „Was hältst du von ihr?“ fragte Tara, die den Blick von der Braut immer noch nicht abwandte.
    „ Nichts.“
    Tara erzeugte einen ungläubigen Ton. „Trotz der Hochzeitsnacht ist sie immer noch Jungfrau.“
    Hart lachte. „Über die Hochzeit wußtest du nichts, aber über ihr Hymen weißt du Bescheid. Wie ärgerlich muß das sein.“
    „Nicht einmal die Palastwäscherei hat von der Hochzeit im voraus erfahren. Bei dir, nehme ich an, war das natürlich anders. Dir wird der Erzbischof ja wohl gesagt haben, was auf uns zukommt.“
    „Aber gewiß“, sagte Hart ernsthaft. „Der Erzbischof und ich diskutieren stets solche Staatsaffären. Er hört sich alles an, was ich dazu zu sagen habe, und nimmt stets meinen Rat entgegen.“
    Tara sah ihn an, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Thron zu. Die Gemahlin des Regenten sah herausgeputzt, blöde und müde aus.
    „Sie ist meine Cousine“, sagte Tara und lächelte über Harts Überraschung. „Wir sind hier alle auf die eine oder andere Art miteinander verwandt, mußt du wissen.“
    „Die Augen“, sagte Hart. „Ihr Farbton.“
    Tara zuckte die Achseln. „Vierhundert Jahre der Inzucht. Es ist geradezu ein Wunder, daß wir nicht alle irre sind. Da wir gerade von Zucht sprechen: Bist du für das Baby verantwortlich?“
    „Welches Baby?“
    „Sei nicht so zimperlich. Ich habe mehr als dreißig Nächte mit dir verbracht. Ich weiß genau, wann du etwas vorhast. Von wem ist es?“
    „Ich bitte dich, mein Zuckermündchen. Du weißt doch, daß ich Geheimnisse für mich behalten kann.“
    Tara errötete. Hart lächelte breit. „Nun sag bloß nicht, daß du dich dieses einen Talents schämst, Tara.“ Er strich mit den Fingern über ihre Lippen. „Es ist das einzige an unserer Beziehung, was ich vermisse. Du kannst es sehr gut, weißt du das?“
    „Hör auf“, flüsterte sie und drückte seine Hand beiseite. „Jemand könnte dich sehen.“
    Hart beugte sich zu ihr hinüber. „Du hast einen herrlichen Mund, Tara. Besonders im Dunkeln.“
    „Und doch war irgendein Baby dir wichtiger.“
    „Du bist eine nicht kleinzukriegende Hure.“ Hart lehnte sich zurück. „Belassen wir es dabei. Außerdem hat es nicht geklappt.“
    Er sprach mit dem ihm eigenen Zynismus, ohne den Mund groß zu bewegen. Tara sah ihn an. Sie schien sich zu freuen.
    „Oh, wie ich das genieße“, sagte sie. „Der arme Hart. Kein Kind, kein Geld. Du solltest Stundenlohn

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