Die Flüchtlinge
Kanonier Alta-Neun.
Delta-Drei grinste und pulverisierte das Flaggschiff der Angreifer. Der Rest der Flotte drehte ab und flüchtete.
„Sollen wir sie verfolgen, Kapitän?“
Detla-Drei runzelte die Stirn. „Ich glaube, das sollten wir wirklich, Kanonier. Es behagt mir zwar gar nicht, einen ganzen Planeten auszulöschen, aber diese Welt ist nicht nur eine Gefahr für die gesamte Föderation, sondern auch für jedes in ihr lebende Wesen.“ Sie reckte sich. „Bringen Sie die Kanonen in Stellung. Es gibt etwas für uns zu tun.“
Während Tri-Kapitän Delta-Drei mit ihrem Schiff auf den feindlichen Planeten zuraste, salutierte der Kanonier und verließ eilig die Zentrale.
Und wenn Delta-Drei kein Schiff zur Verfügung hatte? Oder keine Kanonen? Was würde sie dann tun? Nun, sie konnte Sand schmelzen und daraus einen riesigen Spiegel machen. Wenn die feindlichen Schiffe dann anrückten, brauchte sie nur noch die Sonnenstrahlen einzufangen und auf die Angreifer abstrahlen. Dann …
Als er einschlief, dachte Jes über dieses Problem immer noch nach.
Das Frühstück entpuppte sich am nächsten Morgen als unbehagliche Angelegenheit: Die Erwachsenen gaben sich die größte Mühe, gelassen zu erscheinen, aber für Jes war jede ihrer Bewegungen und jedes ihrer Worte durchschaubar.
Hart, sein kleiner Bruder, ignorierte wie üblich jeden. Er stopfte sich mit Kuchen und Milch voll und verschwand, kaum daß er fertig war. Quilla, seine große Schwester, schaukelte Meya auf ihren Knien, sprach mit Mish über Bewässerungssysteme, und eine krause Haarmähne umrahmte ihr mageres Gesicht. Neben ihrer kleinen, weich gerundeten Mutter sah sie groß und knochig aus. Jes hatte in der Ortschaft Haven einige Kinder sagen hören, Quilla sei häßlich, und obwohl er jedem eine reinhaute, der solche Töne spuckte, vermutete er insgeheim, daß sie doch recht hatten. Aber Quilla war eben Quilla, und es war ihm gleichgültig, wie sie aussah. Kanonier Alta-Neun mußte Quilla ähnlich sein: nur Köpfchen und Knochen. Dieser Gedanke führte ihn wieder zu Tri-Kapitän Delta-Drei und Neuheim zurück. Was würde Delta-Drei in einem solchen Fall tun?
„Jes, du wirst zu spät zur Schule kommen“, sagte Mish. Jes sah verwundert auf. „Na, komm. Du hast jetzt lange genug vor dich hingeträumt.“
„Ich hab doch gar nicht vor mich hingeträumt“, sagte Jes beleidigt.
„Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit dir in eine Diskussion einzulassen. Nimm dein Bündel und geh los. Und vergiß das Essen nicht.“
Jes ließ die Schultern sinken und ging hinaus. Die Flöte steckte er in den Gürtel. Laur erwartete ihn am Haupteingang; in der einen Hand hielt sie sein Bündel, in der anderen einen Kamm.
„Ich hab mich aber schon gekämmt“, protestierte Jes.
Laur musterte ihn mit einem skeptischen Blick. Dann faßte sie ihn an die Schulter und sagte: „Sieht aus, als hättest du noch Stroh im Haar. Halt still. Ich möchte nicht, daß die Leute uns Kennerins für schlampig halten. So. Und vergiß nicht, auf dem Heimweg Brot mitzubringen, verstanden? Und nun marschier ab!“
Jes lief den Hügelabhang hinunter. Der Kopf tat ihm von der Kämmerei noch immer weh. Unter ihm breiteten sich die Dächer von Haven aus. Sie waren weiß, rot und blau, und über jedem schwebte ein sich langsam bewegender Windvogel. Im Gras wimmelte es von Luftblumen, die den warmen Sonnenschein mit einem süßen Geruch erfüllten. Jes überzeugte sich davon, daß Laur wieder ins Haus gegangen war, dann verlangsamte er seinen Schritt. Die Windvögel, von einer morgendlichen Brise erfaßt, fingen an zu rascheln. Die Leitungen, an denen sie befestigt waren, bewegten Wellen, Ritzel und Generatoren, und dennoch blieb die Luft über Haven hell und klar. Jason hatte die Windvögel eines Sommers erfunden, als ihm aufgefallen war, daß die Rußflocken aus verbranntem Holz wie tote Vögel überall im Tal herumlagen. Er hatte sich dermaßen über die beginnende Verschmutzung seiner Insel aufgeregt, bis die Aeriten ihm aus dem Wege gegangen waren und hinter seinem Rücken kopfschüttelnd über ihn geredet hatten. Was erwartete Kennerin eigentlich, wenn er selbst darüber im Bilde war, daß er nicht genug Fremark hatte, um einen Atomreaktor zu kaufen? Wollte er etwa, daß sie im Winter froren und sich allein auf die unzureichende Solarzellenheizung verließen? Es gab schließlich genug Bäume auf To’an Cault, die man zum Bauen oder als Brennstoffbenutzen konnte. Und außerdem bestand
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