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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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mich das Fürchten gelehrt. Beinahe wäre nicht mehr viel von mir übriggeblieben.“ Er aß noch ein Stück Wurst. „Ich wäre froh, wenn Hetch hier wäre.“
    „Noch drei Tage, Jes. Kommst du heute nachmittag zur Versammlung? Meya, trink deine Milch.“
    „Nur, wenn Dene mich dort braucht. Ich hatte eigentlich vor, mal zum Haus der Glents zu gehen und mir ihr neues Baby anzusehen. Ich habe sie noch nicht zu Gesicht bekommen. Es heißt, sie sei sehr hübsch.“
    „Das habe ich auch gehört. Meya, wenn du jetzt deine Milch nicht austrinkst und einen Schritt zulegst, wirst du zu spät zur Schule kommen.“
    Jes beugte sich zu seiner kleinen Schwester hinab. „Dann wird Simit dir den Hintern versohlen. Ich weiß es; ich hab es schließlich am eigenen Leibe erfahren!“
    Meya schnaubte. „Du bist ein verdammter Lügner, Jes Kennerin. Außerdem willst du das neue Baby nur deswegen sehen, weil Taine darauf aufpaßt und du eine Eidechse in der Hose hast.“
    „Meya Kennerin!“ sagte Laur. Meya trank ihre Milch aus und floh in die Küche, während ihre Geschwister lachend zu Boden sahen.
    „Daran seid ihr schuld“, sagte Laur. „Warum müßt ihr auch solche Reden führen, wenn die Kleine in der Nähe ist!“ Die alte Frau sah sie finster an. „Wenn eure Eltern jetzt hier wären …“
    „Jason und Mish reden nicht anders als wir“, sagte Jes, aber Quilla gab ihm mit einem Wink zu verstehen, er solle schweigen.
    „Ist ja in Ordnung, Laur. Tut mir leid. Manchmal vergesse ich einfach, daß sie da ist. Demnächst passen wir besser auf, nicht wahr, Jes?“
    Als sie ihm unter dem Tisch gegen das Schienbein trat, jaulte er auf. Dann nickte er.
    „Klar, versprochen“, meinte er. „Ist noch ’n Würstchen da?“
    Quilla hörte das dreifache Tapsen von Tabors Schritten auf der Treppe. Sie trank schnell ihren Tee und stand auf.
    „Spät heute“, sagte sie. Beim Hinausgehen gab sie Laur einen Kuß auf die Stirn und kniff Jes in die Schulter. „Mish und Jason müßten heute nachmittag zurück sein. Ich werde dann zur Versammlung kommen. Schickt mir jemanden, der mir Bescheid sagt, ja?“
    Laur gab grummelnd ihr Einverständnis. Dann ging Quilla mit schnellen Schritten den Abhang hinunter und näherte sich dem Stall. Die Kasiren lungerten am Tor in der Sonne herum. Ihr Arbeitsgerät lag auf einem Stapel. Irgend jemand hatte das Vieh bereits auf die Weiden getrieben; das Muhen der geklonten Kühe, die mit den vierflügeligen Vögeln um die Wette lärmten, war un-überhörbar. Im Gehen band sie sich ein Kopftuch um. Palen rief ihr auf Kasiri einen Gruß zu. Quilla grüßte zurück und betrat durch das sperrangelweit geöffnete Tor das Stallgebäude.
    Gegen Mittag fiel die Helligkeit durch die Oberlichter in den Stall. Die Luft auf der Tenne war warm und durchdrungen vom süßen Duft des gehärteten Zimanis-Safts und dem Geruch frischgemähten Heus. Quilla schwang ihre Heugabel mit Elan, und jedesmal, nachdem sie sie mit Stroh gefüllt hatte, gab es anschließend, wenn es hinunterfiel, auf dem Stallboden einen dumpfen Plumps. Auf der anderen Seite des Heubergs arbeitete Palen. Sie bediente sich ihres Arbeitsinstruments mit einer Eleganz, die auszuführen man auch vier Arme nötig hatte.
    „Das reicht“, rief jemand auf Kasiri. Quilla stützte sich auf ihre Gabel, wischte sich den Schweiß von der Stirn und langte nach der Kanne, die Palen ihr reichte. Das Kaeagetränk war zwar warm, aber erfrischend. Sie gab Palen die Kanne zurück und sah über das Geländer nach unten. Ein paar kasirische Arbeiter verstreuten das Heu auf dem frisch gereinigten Boden.
    „Noch ein bißchen mehr an die Wände“, rief Quilla.
    „Dann wirf noch etwas runter.“
    Sie ließ eine große Ladung über das Geländer fallen. Der Eingeborene, der gerufen hatte, bekam sie auf den Kopf und fing wild an zu spucken. Palen lachte. Quilla setzte sich hin und streckte die Beine aus. Palen umrundete den Heuhaufen und nahm neben ihr Platz.
    „Heute abend wird der Tag gefeiert, an dem der Greifer explodierte“, sagte sie.
    Quilla nickte und legte sich ins Heu zurück. „Und die Einfahrt der Ernte. Da geht’s heiß her. Da wird gefuttert und getrunken. Es werden Reden gehalten. Es wird auch getanzt. Gehst du auch hin?“
    Palen fabrizierte ein kasirisches Achselzucken, das darin bestand, daß sie mit dem unteren Schulternpaar das obere anhob. „Wir kommen, wie immer. Wir schauen zu und sehen uns eure neuen Leute an, die sich nach außen hin

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