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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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schlich sich näher heran. Die Kinder spielten Sumpfpiraten, und die Kasiren hatten – wie üblich – den Part der Ratten übernommen. Die Piraten durften sie nie sein, denn sie waren zu gut im Spurenlesen; da wäre das Spiel stets zu schnell zu Ende gewesen. Meya zog ihre Schuhe aus, versteckte sie zwischen ein paar Baumwurzeln, schob sich das glatte, schwarze Haar hinter die Ohren und pirschte auf das Stimmengemurmel zu. Zeonea, die Superratte, war bereit zum Zuschlagen!
     
    „Jes.“
    Er wandte sich um, ohne sicher zu sein, daß ihn in dem herrschenden Tumult tatsächlich jemand angesprochen hatte. Quilla lehnte am Podium, trank aus einem Wasserbecher und hörte der Unterhaltung einer Menschen- und Kasirengruppe zu. Hoku sagte etwas zu Ved Hirem, der daraufhin einen finsteren Blick aufsetzte und sich anderswo hinstellte. Hoku lächelte. Die Leute drängten sich in die Nähe der Tür. Sie lechzten nach frischer Luft. Jes machte ihnen Platz.
    „Jes!“
    Dene Beletes berührte seinen Arm und deutete mit dem Kopf auf eine freie Ecke. Jes folgte ihr durch die Reihen der durcheinandergebrachten Stühle.
    „Ist ganz gut gegangen, nicht?“ meinte sie. „Glaubst du, es hat geklappt? Hat es sie interessiert?“
    Jes nickte. „Es ist ein guter Plan“, sagte er.
    „Es ist nichts Besonderes. Windmühlen sind ein alter Hut. Glaubst du, daß die Idee deinem Vater gefallen wird? Der Plan ist gar nicht so viel wert; das Neue ist nur, wie er durchgeführt werden soll. Wie man ihn den hiesigen Verhältnissen anpaßt. Wie man den Seewind ausnutzt. Haben die Leute zugehört, als ich über die Luftströmungen sprach?“
    „Ja.“
    Dene legte ihre Zeichnungen ab und fuhr sich mit den narbigen Fingern durch das rote Haar. Dann zuckte sie die Achseln. „Die Entscheidung muß dein Vater fällen. Wirst du ihm von der Sache erzählen?“
    „Ich glaube, es wäre besser, wenn du zu uns hinaufkommen und es ihm selber erzählen würdest. Außerdem wird Quilla ihn davon in Kenntnis setzen, wenn sie ihm über die Versammlung erzählt.“
    „Vielleicht. Vielleicht.“ Dene grinste plötzlich. „Hoku hat es Ved mal wieder mächtig gegeben, nicht? Ich wünschte, ich hätte ihren Mumm.“
    Jes nickte. Dene legte abrupt ihre Zeichnungen zusammen und ging auf das Podium zu. „Quilla soll sie mitnehmen“, sagte sie über ihre Schulter hinweg. „Sieh zu, daß dein Vater sie morgen zu Gesicht bekommt. Dann können wir darüber reden.“
    Jes sah, daß sie sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Gasse bahnte, dann ging er zur Tür. Als er die Treppe hinunterstieg, hörte er, daß Quilla ihren Hammer schwang und die Fortsetzung der Versammlung bekanntgab. Er zögerte, doch dann ging er die Marktstraße hinunter.
    Das Haus der Glents gehörte zu den neueren Gebäuden von Haven. Man hatte es vor etwa einem Jahr errichtet, nachdem das junge Paar sich geweigert hatte, weiterhin mit seinen Eltern und Schwiegereltern zusammenzuleben. Jes hatte ihnen bei den Bauarbeiten geholfen und sich dabei seine ersten Kenntnisse als Maurer, Dachdecker und Zimmermann angeeignet. Es war seine Idee gewesen, die Kolonnade rund um den Halaeabaum zu errichten. Der Anblick des ebenmäßigen, hellen Baumes, der die Decke durchstieß, erfreute ihn. Wenn er sich einst selbst ein Haus baute, sollten Bäume in seinem Inneren wachsen. Die Wurzeln konnte er als Fundament verwenden, die Äste konnten das Dach bilden. Er malte sich ein solches Haus vor seinem geistigen Auge aus und stellte sich vor, wie er heimkam: Hinter ihm der Raumhafen; er trug eine enganliegende, grüne Uniform, und Taine erwartete ihn lächelnd am Eingang. Das Bild löste sich wieder auf; ganz so perfekt war es doch nicht gewesen. Jes schüttelte den Kopf und ging über den schmalen Weg auf das Haus zu.
    Bevor er anklopfen konnte, öffnete Taine die Tür und legte einen Finger auf ihre Lippen. „Das Baby schläft“, sagte sie und kam auf die Veranda hinaus.
    Jes errötete. „Deswegen bin ich gekommen. Ich wollte mir das Baby ansehen. Ich habe es noch nicht …“
    „Nicht es – sie. Es ist ein Mädchen.“
    „Oh. Ja, natürlich.“ Jes starrte auf die Dielenbretter der Veranda. „Na ja, ich dachte, ich sollte sie mir mal ansehen. Ich kann aber auch später noch mal wiederkommen.“
    Er hob rasch den Kopf und sah, daß Taines Lippen sich zu einem leichten Lächeln verzogen. Er machte Anstalten, wieder zu gehen.
    „Nein, das ist schon in Ordnung“, sagte sie und legte eine Hand auf seinen

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