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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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überlassen, die wirklich dazu in der Lage sind, eine Arthritis von Senilität zu unterscheiden.“
    Die Leute lachten. Ved biß die Zähne zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. Jemand schlug vor, daß man Hokus Hospital in den nächsten Etat aufnehmen solle. Quilla änderte den Vorschlag dahingehend ab, daß er als Empfehlung an die Direktion der Kennerin-Plantagen weitergegeben werden sollte. Die Versammlung war damit einverstanden. Hoku rückte ihren Stuhl nach hinten und schlief ein.
    „Wo ist Tabor?“ fragte Meya noch einmal. „Du wolltest doch mit ihm üben, oder?“
    „Konnte ihn nicht finden“, gab Jes ebenso leise zurück. „Hast du was zu futtern?“
    Meya griff in ihre Gürteltasche und förderte einen klebrigen Keks zu Tage. Jes musterte ihn mißtrauisch, dann schob er ihn sich in den Mund.
    „Ich wette, daß Taine ganz schön einsam ist, wenn sie immer nur das Baby um sich hat“, sagte Meya. „Mögen Säuglinge überhaupt Flötenmusik?“
    „Taine ist mir wurscht“, sagte Jes.
    „Ha. Ha. Ha.“
    „Halt die Klappe“, sagte die Frau, die vor Meya saß. Meya streckte ihr noch einmal die Zunge heraus und trat gegen ihren Stuhl. Simit erzählte mit lauter Stimme von den Fortschritten in der Ausbildung seiner Schüler und erinnerte die Eltern noch einmal daran, daß mindestens die Hälfte der Erziehung und Bildung zu Hause stattfinden müsse. Damit auch die Kasiren seine Worte verstanden, ließ er sie von Quilla übersetzen. Er schloß mit einem Antrag auf Gewährung von mehr Mitteln für Bücher und Kassettenbänder. Auch dies sollte im nächsten Etat berücksichtigt werden. Als Quilla eine Pause ankündigte, verließ Meya das Gemeinschaftshaus und ging zum Marktplatz zurück. Die anderen Kinder waren gegangen. Das Sonnenlicht bleichte die Markisen der einzelnen Buden. Es herrschte eine wahre Sommerhitze; eine Brise war nirgendwo in Sicht. Meya sah die Marktstraße hinunter, dann ging sie über den Schulweg an den Fluß.
    So still, wie das Schulgebäude jetzt dalag, wirkte es beinahe unheimlich. Meya strich mit ihren Fingern über den Holzzaun und zog sich einen Splitter ein. Sie sah sich schnell um, sagte mit Nachdruck „Scheiße!“, zog den Splitter heraus und fing an, an dem verletzten Finger zu lutschen. Als sie den Zaun umrundet hatte, entdeckte sie Hart. Er war auf dem Dach von Grens Hütte und hatte ein paar Nägel im Mund.
    „He, was machst du da oben?“ rief sie.
    Hart wandte sich überrascht um und ließ die Schindel, die er in der Hand hielt, fallen. „Nichts, was dich angeht. Schau mal, was du jetzt angerichtet hast.“
    „Ich habe überhaupt nichts angerichtet.“ Meya legte die flache Hand vor die Stirn, um besser sehen zu können. Hart war im vergangenen Jahr stark gewachsen. Obwohl er seinen Hosen die Beine abgeschnitten hatte, war der Rest auch noch zu eng für ihn. Sein dunkles Haar leuchtete im Sonnenlicht. „Warum hilfst du dem verrückten alten Gren überhaupt?“
    „Hau ab. Lern irgendwas. Ich hab zu tun.“
    Meya zuckte die Achseln und überlegte sich, wie es wohl aussehen würde, wenn Hart jetzt vom Dach herunterfiele. Ein gutgepolsteres Hinterteil hatte er ja, und abgesehen davon war es nicht sehr tief.
    „Kann ich dir helfen?“
    „Das letzte, was ich gebrauchen könnte, wäre ein naseweises Kind. Willst du nicht endlich verschwinden?“ Mit lauten Hammerschlägen trieb er einen Nagel in das Dach.
    Meya schnitt eine Grimasse und lief zum Fluß hinunter. Sie hoffte, daß Hart auf die Nase fiel. Manchmal war er wie Mish, kurz angebunden und zurückhaltend. Sie fragte sich, warum Hart und ihre Mutter einander nicht stärker zugetan waren. Möglicherweise konnten sie niemanden ausstehen. O nein, das war nicht fair. Mish liebte Jason, darüber war Meya sich sicher. Mish liebte Quilla und Jes. Sie liebte Hart möglicherweise auch – und vielleicht sogar sie, Meya. Aber ganz sicher war sie sich nicht. Ihre Mutter nannte sie ihr „Winterkind“, wenn sie zusammen waren. Meya mochte es nicht, wenn sie so bezeichnet wurde. Ihr war, als hätte dieses Wort eine tiefere Bedeutung. Aber Hart war eigentlich nie mit jemandem zusammen außer mit dem alten Gren, auch wenn sie sich oft stritten.
    Meya zuckte die Achseln und sprang in den seichten Fluß. Zu spät fiel ihr ein, daß Laur einen Anfall bekommen würde, wenn sie mit verschlammtem Schuhwerk heimkam. Erwachsene waren wirklich schwer zu verstehen.
    Ein Stück flußabwärts hörte sie Stimmengemurmel und

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