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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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einfach gemacht werden.«
    »Ich muss rein. Ich muss unbedingt etwas in der Bibliothek nachschlagen.«
    »Tut mir leid, mein Junge. Die Abmachung ist eindeutig, kein nicht genehmigter Zugang durch den Hauptperimeter hindurch.«
    »Hauptperimeter?«, wiederholte ich. Frank wollte mir mit diesem Wort offenbar etwas sagen, aber der Schlafentzug machte mich verflixt begriffsstutzig. Er musste es tatsächlich wiederholen, bevor ich kapierte, was er damit andeutete: Die Garage befand sich außerhalb des Sperrrings.
    Also trat ich wieder ins blasse Sonnenlicht hinaus und ging zur Garage hinüber. Dort stand ein verbeulter Renault Espace mit so offensichtlich falschen Nummernschildern, dass er nur einem der Fallschirmjäger gehören konnte. Ich überprüfte kurz, dass der Jaguar abgeschlossen war, zog eine Abdeckplane unter einem Arbeitstisch hervor und deckte den Oldtimer ab. Schließlich stieg ich müde die Treppe zum Obergeschoss der Remise hinauf   – nur um entdecken zu müssen, dass mir Tyburn zuvorgekommen war.
    Sie wühlte gerade durch die Kisten und Truhen undden ganzen alten Krempel, den ich am hinteren Ende aufgetürmt hatte. Das Bild von Molly und das Porträt des Mannes, den ich für Nightingales Vater hielt, lehnten an der Wand. Ich schaute zu, als sie sich hinkniete und unter das Sofa griff, um eine weitere Truhe hervorzuziehen.
    »So was nannte man früher einen Schiffskoffer«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Er hat die richtige Höhe, dass man ihn unter das Bett schieben kann. So konnte man die Sachen, die man für unterwegs brauchte, separat packen.«
    »Sie meinen, der Diener konnte das tun«, sagte ich. »Oder die Zofe.«
    Tyburn nahm vorsichtig ein gefaltetes Leinenjackett aus dem Schiffskoffer und legte es auf das Sofa. »Die meisten Leute hatten keine Diener«, sagte sie. »Sie mussten so zurechtkommen.« Dann fand sie, wonach sie gesucht hatte, und stand auf. Sie trug einen eleganten schwarzen italienischen Hosenanzug aus Seide und dazu vernünftige schwarze Schuhe. Auf ihrer Stirn war immer noch ein Bluterguss zu sehen, wo sie von einem Marmorfragment getroffen worden war. Sie zeigte mir, was sie gefunden hatte: eine schlichte Plattenhülle aus braunem Karton, in der anscheinend eine alte 78er-Schellackplatte steckte. »Duke Ellington und Adelaide Hall,
Creole Love Call
, das Originallabel von Black and Gold Victor«, sagte sie. »Und er hat das in einem Koffer auf dem Speicher.«
    »Wollen Sie sie auf Ebay verhökern?«, fragte ich.
    Sie warf mir einen kalten Blick zu. »Sie wollen wohl Ihre Sachen abholen?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht?«
    Sie zögerte. »Bitte. Nur zu.«
    »Zu freundlich«, sagte ich.
    Die meisten meiner Kleider waren im Folly und daher unzugänglich, aber weil Molly nie im Kutschenhaus sauber machte, fand ich wenigstens ein Sweatshirt und eine Jeans, die hinter das Sofa gefallen waren. Mein Laptop war dort, wo ich ihn hingestellt hatte, auf einem Stapel Magazine. Nach der Laptoptasche musste ich länger suchen. Tyburn ließ mich die ganze Zeit nicht aus den Augen. Es war, wie wenn man im Badezimmer von seiner Mutter beobachtet wird.
    Manchmal gibt es Dinge, wie Frank schon gesagt hatte, die man einfach tun muss, ohne Rücksicht auf die Kosten. Ich richtete mich auf und drehte mich zu Tyburn um. »Hören Sie, die Sache mit dem Brunnen tut mir wirklich leid.«
    Einen Augenblick lang dachte ich, es würde funktionieren, ich schwöre, ich sah etwas in ihrem Blick, ein Weichwerden, ein Wiedererkennen   – irgendetwas   –, aber dann verschwand es wieder und die kühle Wut war wieder da.
    »Ich habe mich über Sie erkundigt«, sagte sie. »Ihr Vater ist ein Junkie, schon seit gut dreißig Jahren.«
    Eigentlich sollte es nicht wehtun, wenn jemand so etwas zu mir sagt. Seit ich zwölf wurde, weiß ich, dass mein Dad abhängig ist. Er ging ziemlich sachlich damit um, als ich es herausgefunden hatte, und bemühte sich, mir begreiflich zu machen, was das bedeutete   – er wollte nicht, dass ich in seine Fußstapfen trat. Er gehörte zu den wenigen Leuten im Vereinigten Königreich, die ihr Heroin auf Rezept bezogen, was damit zu tun hatte, dass sein Hausarzt ein großer Fan der erfolglosesten JazzlegendeLondons war. Mein Dad war seither nie mehr clean gewesen, aber er hatte seine Sucht unter Kontrolle und deshalb sollte es eigentlich nicht wehtun, wenn die Leute ihn einen Junkie nennen. Aber natürlich tut es weh.
    »Verdammt«, sagte ich, »dass er mir das verheimlicht

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