Die Fluesse von London - Roman
Tür aufriss und auf ihn zustürmte, wandte er sich zur Flucht.
Der Angreifer war klein und untersetzt, mit schütterem braunem Haar und einer runden Nickelbrille. An der Brusttasche seines weißen Hemdes war ein Namensschild befestigt, er schien der Filialleiter zu sein. Der Mann schwitzte heftig und sein glänzendes Gesicht war vor Wut rot angelaufen.
»Ich hab verdammt noch mal die Schnauze voll!«, brüllte er den jungen Mann an. »Ich hab mir alle Mühe gegeben, freundlich zu bleiben, aber ich lass mich doch von dir nicht wie ein gottverdammter Lakai behandeln!«
»He!«, schrie Lesley, »Polizei!« Sie ging auf die beiden Männer zu, hielt ihnen ihren Ausweis entgegen und legte die andere Hand auf den ausziehbaren Schlagstock. »Gibt’s hier ein Problem, Leute?«
»Er hat mich angegriffen«, rief der junge Mann nervös. Eindeutig ein ausländischer Akzent, vermutlich deutsch, dachte ich.
Der ausgerastete Geschäftsführer zögerte und schaute Lesley an, wobei er hinter der Brille aufgeregt blinzelte. »Er hat ständig telefoniert«, beschwerte er sich. Seine Wut und Gewaltbereitschaft schienen urplötzlich verpufft zu sein. »Während er an der Kasse stand. Dabei hat er nicht mal einen Anruf bekommen – er wählte, während er zahlte. Wie soll ich denn eine für beide Seiten angenehme und freundliche Kundenbeziehung aufbauen, wenn der Mistkerl mich einfach ignoriert und anfängt zu telefonieren?«
Lesley trat zwischen die beiden Männer und drängte den Filialleiter sanft, aber bestimmt zurück. »Gehen wir doch erst mal wieder rein«, schlug sie vor. »Dort können Sie mir alles genau erzählen.« Es war wirklich ein Vergnügen, Lesley bei der Polizeiarbeit zuzuschauen.
»Ich verstehe einfach nicht, warum er das gemacht hat«, jammerte der Manager. »Was kann denn so wichtig sein, dass er nicht mal eine Minute damit warten konnte?«
Beverley stieß mich nicht sehr sanft an. »Peter – schau mal, dort drüben.«
Ich drehte mich rasch um und sah Dr. Framline die Straße entlangrennen. Er schwang einen Stock, der wohl halb so lang war wie er selbst. Hinter ihm lief seine Bekannte aus dem Pub, die verwirrt seinen Namen rief. Ich rannte los, so schnell ich konnte, überholte die Frau, aberes war klar, dass ich Framline nicht einholen würde, bevor er sein Ziel erreichte.
Der Kurier hob nicht mal den Arm, um sich zu verteidigen. Framline ließ den Stock auf seine Schulter niedersausen. Der rechte Arm des Kuriers knackte hörbar; er ließ das Fahrrad los, das zur Seite kippte.
»Je mehr du abbekommst, desto besser für dich!«, brüllte der Arzt und hob erneut den Stock.
Ich rammte ihm die Schulter in die empfindliche Stelle genau über der Hüfte, so dass er zur Seite und zu Boden geschleudert wurde und meinen eigenen Sturz abfing. Das Fahrrad schlug klappernd auf der Straße auf, der Stock schlitterte über das Pflaster. Ich versuchte, Framline auf den Boden zu drücken, aber der Mann war erstaunlich stark und stieß mir den Ellbogen so heftig in die Brust, dass ich nach Luft schnappte. Ich packte seine Beine, erhielt aber ein Knie ins Gesicht und fluchte laut.
»Polizei!«, brüllte ich. »Aufhören! Sofort aufhören!« Erstaunlicherweise befolgte er den Befehl. »Danke«, keuchte ich, denn in kritischen Situationen ist ein wenig Höflichkeit schon angebracht. Ich versuchte mich aufzurappeln, aber jemand versetzte mir einen solchen Hieb, dass ich wieder auf dem Asphalt aufprallte, bevor ich den Schlag überhaupt mitbekam. Egal wie schwer man getroffen wird, im Straßenkampf ist das Straßenpflaster nicht dein Freund, deshalb rollte ich mich schnell zur Seite und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Im selben Augenblick sah ich, wie der Kurier den überdimensionalen Stock aufhob und gegen Framline ausholte. Der Arzt wich aus, wurde aber am Oberarm getroffen. Er stolperte und ging stöhnend zu Boden.
Ich wurde buchstäblich von einer ungeheuren Gefühlsaufwallung überwältigt – Erregung, Begeisterung, gemischt mit einer gewissen Gewaltbereitschaft, so ähnlich wie beim Fußball, wenn die Fans eine Torchance für ihr Team wittern.
Und dieses Mal konnte ich tatsächlich beobachten, wie sich das
Dissimulo
ereignete: Der Unterkiefer des Kuriers schien sich weit nach vorn zu schieben, ich hörte Knochen und Zähne knacken, als sich sein Kinn immer weiter zuspitzte. Die Lippen verzogen sich zu einem Fletschen, und die Nase dehnte sich grotesk aus. Das Gesicht war eigentlich kein
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