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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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angeschwemmten Baum aufzulaufen. Dann aber, als die Leute erst rasch die langen Finnen in ihre eisernen Halter gestoßen und Raum gewonnen hatten, um mit diesen mächtigen Rudern ordentlich auszugreifen, gehorchte auch das sonst so schwerfällige Fahrzeug dem Steuer. Mit dem Bug langsam der Mitte des Flusses zustrebend, arbeitete es sich weiter und weiter von der gefährlichen Stelle weg, bis es, über jenen Platz hinaus, die eigentliche Strömung erreicht hatte, die es in gerader, südlicher Richtung der schon früher erwähnten runden Weideninsel zuführte.
    Wer beschreibt aber die Wut Luise Breidelfords, als sie sich ihr Opfer so plötzlich und ganz hoffnungslos entrissen sah. Sie war nämlich, Gott weiß weshalb, zu der unumstößlichen Überzeugung gelangt, daß Mrs. Everett jene Frau sein müsse, die nach Mr. Smarts Aussage vor einigen Abenden ihr Haus umschlichen und versucht hatte, mittels Nachschlüssels ihre Tür zu öffnen. Einige Gegenstände, die sie wohl verlegt haben mußte oder sonst nicht finden konnte, bestärkten sie noch mehr darin, und sie hatte jetzt wirklich nichts Eiligeres zu tun, als zu Squire Daytons Haus zu laufen und allen Ernstes die Gerechtigkeit anzurufen, damit jenes Boot aufgehalten und ihr zu ihrem Rechte verholfen würde. Squire Dayton war aber ebensowenig zu Hause wie irgendeine der Damen, wenigstens gab ihr Nancy hierüber die Versicherung aus dem Fenster heraus, ohne sich dabei die Mühe zu nehmen, der sehr erhitzten Lady die Tür zu öffnen. Ihre einzige Hoffnung blieb jetzt der Konstabler. Um aber rasch zu dessen Hause zu kommen, mußte sie, da er an dem anderen und äußersten Ende der kleinen Stadt wohnte, etwa zweihundert Schritt auf einem schmalen Fußwege hin durch ein Dickicht gehen, das hier aus einer früheren Rodung wieder aufgewachsen war. Rasch schlug sie auch diesen Pfad ein und hatte etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt. Eine Eiche war hier quer über die Straße gestürzt, und als sie um diese herum ihre Bahn suchen wollte, trat ihr plötzlich, wie es schien zu beiderseitiger Überraschung, ein Mann entgegen, dessen ganzes Aussehen in diesem etwas abgelegenen und selten betretenen Teile allerdings ein Erschrecken der sonst gerade nicht sehr furchtsamen Dame rechtfertigte.
    Die Kleider hingen ihm fast in Streifen vom Leibe; die Haare umstarrten ihm wild den bloßen Kopf, und der Bart mußte wochenlang kein Rasiermesser gefühlt haben. Schweiß und Blut klebten ihm dabei auf Gesicht und Händen, und Mord stand ihm mit fürchterlichen Zeichen auf der Stirn und sprach aus seinen stier, aber mißtrauisch umherschweifenden Augen. »Jesus Maria!« rief Mrs. Breidelford, als der Mann plötzlich vor ihr stand und, gleichfalls überrascht, den Blick fest und prüfend auf sie geheftet hielt. – »Was wollen Sie, Sir? Was sehen Sie mich so stier an, Sir? Ich bin auf dem Wege zum Konstabler; – er wohnt keine zehn Schritte von hier, und der Friedensrichter kommt dicht hinter mir.« Und damit trat sie rasch etwas zur Seite und suchte an der unheimlichen Gestalt vorüberzuschreiten. Der Fremde rührte sich auch gar nicht; er folgte ihr nur mit den Augen. Als sie aber gerade an ihm vorüberschritt und nur noch einmal mißtrauisch den Kopf nach ihm hinwandte, flüsterte er leise: »Mrs. Dawling!«
    Wären die wenigen Silben der Bannfluch irgendeines morgenländischen Zaubers gewesen, nach denen Mrs. Breidelford von nun an verdammt sein sollte, drei- bis viertausend Jahre unbeweglich und in der gerade angenommenen Stellung auf einem Platz stehenzubleiben, so hätte die würdige Lady über den einfachen Namen Dawling nicht mehr erschrecken können. Ihre Augen fingen dabei an, sich aus ihren Höhlen zu drängen, so erstaunt und zugleich entsetzt hafteten sie auf dem Manne, der unzweifelhaft ein für sie fürchterliches Geheimnis kennen mußte. Dieser aber schien nicht im mindesten den hervorgebrachten Eindruck zu beachten, außer daß vielleicht ein trotziges Lächeln für einen Moment um seine Lippen zuckte, dann trat er rasch einen Schritt gegen sie vor und flüsterte: »Folgt Euch der Friedensrichter wirklich dicht auf dem Fuße?«
    »Nein«, stammelte Mrs. Breidelford und schien noch immer weder zu Atem noch zu völliger Besinnung gekommen zu sein; »nein, – er kommt – er kommt nicht.«
    »Desto besser! – Ihr müßt mich verbergen; die Verfolger sind mir auf den Fährten. Im Walde konnte ich den verdammten Schurken nicht mehr entgehen; wie die Indianer spürten sie

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