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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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phantasierst«, sagte Kelly ruhig, während er den breitrandigen Hut abnahm und auf den Tisch warf. – »Was weiß ich, wo der Knabe ist? Weshalb hast du ihn von dir gesandt? – Ich riet dir stets ab. Überhaupt kann er ja auch heute oder morgen zurückkehren, wer weiß, ob er nicht, froh der neugewonnenen Freiheiten, in tollem Übermut in Helena herumtaumelt, wo unser aller Leben an seiner kindischen Zunge hängt. Wo ist das Mädchen? – Rufe es her!«
    »Zurückkehren?« rief Georgine in bitterem Schmerze. »Ja, seine Leiche! – Peter holt sie aus der Bucht drüben, wo sie der Neger versenkte. – Sein ›toller Übermut‹ wurde in gieriger Flut gekühlt, und seine kindische Zunge droht keinem Leben mehr Gefahr.«
    Der lange zurückgehaltene Schmerz des stolzen Weibes brach sich jetzt endlich in wilden, undämmbaren Tränen Bahn; Georgine barg das Antlitz in ihren Händen und schluchzte laut.
    Kelly stand ihr erstaunt gegenüber und hielt das dunkle Auge fest und verwundert auf ihre zitternde Gestalt geheftet.
    »Was bedeutete dir jener Knabe?« sagte er endlich mit leiser, schneidender Stimme. »Welchen Anteil nimmst du an einem Burschen, der, aus gemischtem Stamm entsprossen, dir nur als Diener lieb sein durfte? – Georgine, ich habe dich nie nach jenes Knaben Herkunft gefragt; jetzt aber will ich wissen, woher er stammt.«
    »Aus dem edelsten Blute der Seminolischen Häuptlinge!« rief das schöne Weib und richtete sich, ihren Schmerz gewaltsam bezwingend, stolz empor. »Seines Vaters Name war der Schlachtschrei einer ganzen Nation; er ist unsterblich in der Geschichte jenes Volkes.«
    »Und seine Mutter?«
    Georgine fuhr wie von einem jähen Schlage getroffen zusammen; ihre ganze Gestalt zitterte, und fast unwillkürlich griff sie, eine Stütze suchend, nach dem Stuhle, neben welchem sie stand. Kellys Lippen umzuckte ein spöttisches Lächeln, aber er wandte sich, als ob er ihre Bewegung nicht bemerke oder doch nicht bemerken wolle, rasch dem kleinen Kabinett zu, wo Marie ihren Schlafplatz angewiesen bekommen hatte.
    »Wo ist die Kranke?« fragte er, den Ton zu dem eines gleichgültigen Gesprächs verändernd. – »Ist sie in ihrer Kammer?«
    »Sie schläft!« sagte Georgine, wohl überrascht über das kurze Abbrechen seiner Frage, doch schnell gesammelt. »Störe sie nicht; – sie bedarf der Ruhe!«
    »Ich will sie sehen!« erwiderte der Kapitän und näherte sich dem Vorhang, der das kleine Gemach von dem Wohnzimmer trennte.
    »Du wirst sie wecken; – tu mir die Liebe und laß sie ungestört«, bat Georgine.
    Kelly wandte sich gegen sein Weib und schaute ihr mit so scharfem, forschendem Blick ins Auge, als ob er ihre innersten Gedanken ergründen wollte. – Ihr Antlitz blieb aber unverändert, und sie ertrug ohne Zucken den Blick. Schweigend drehte er sich von ihr ab und lüftete den Vorhang. Das Bett stand diesem gerade gegenüber, und auf ihm, die schlanken Glieder von warmer Decke umhüllt, den Rücken ihm zugewendet, daß nur der kleine, von wirren Locken umschmiegte Kopf, ein Teil des blendend weißen Nackens und die rechte, auf der Decke ruhende zarte Hand sichtbar blieben, lag eine weibliche Gestalt. Die äußeren Umrisse hatten auch Ähnlichkeit mit dem entflohenen Mädchen; aber Kellys scharfer Blick entdeckte rasch den Betrug.
    Im ersten Augenblick machte er allerdings eine fast unwillkürliche Bewegung, als ob er noch weiter vortreten wolle; plötzlich aber hielt er wieder ein, ließ noch einmal seinen Blick erst über die ausgestreckte schlummernde Gestalt, dann über das schöne, doch marmorbleiche Antlitz seines Weibes schweifen und verließ dann rasch die Kammer und das Haus.
    Draußen schritt er an dem Neger vorüber, der noch neben dem Baum kauerte, an welchem er mißhandelt worden war, und trat zwischen die jetzt in ›Bachelors' Hall‹ versammelten Männer. Die Zeit drängte; keinen Augenblick durfte er verlieren; denn der nächste konnte schon verderbenbringend über sie hereinbrechen, und in kurzen, klaren Befehlen verteilte er einzelne der Schar über die Insel, von denen einige die Ufer nach einem gelandeten Kahn absuchen, andere die Dickichte durchstöbern sollten. Fanden sie den Kahn, so war weiter nichts nötig, als ihn wohlversteckt zu bewachen; der Ire mußte dann in ihre Hände fallen. Ahnte er aber, daß er entdeckt sei, und hielt er sich verborgen, nun, so konnte er auch die Insel nicht verlassen und war für den Augenblick unschädlich gemacht, bis ihn das Tageslicht

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