Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Knabe hatte dir nie ein Leid getan. Er war manchmal übermütig, nach der Knaben Art, aber sonst noch fast ein Kind. In deinen Händen mußte er wie die Taube in des Geiers Krallen sein. Wer hat dich also gedungen, Mensch, oder wessen Befehlen hast du dabei gehorcht? Sprich, denn ich weiß alles; aber ich will nur erst durch deinen Mund Gewißheit. – Sprich!«
»Ich weiß nicht, wer Euch all den Unsinn in den Kopf gesetzt hat«, knurrte Bolivar; »aber so viel ist gewiß, daß ich hier um nichts und wieder nichts niederträchtig behandelt werde. Wäre Massa Kelly hier –«
»Der würde dir beistehen, das glaube ich«, flüsterte die Frau, »doch deine Ausflüchte helfen dir nichts. – Gestehe, sage ich, oder, beim ewigen Gott, ich jage dir diese Kugel durchs Hirn, du kennst mich, wenn es gilt, eine Drohung auch auszuführen.«
»Ja, darin kenne ich Euch!« trotzte der wilde Sohn der Wüste. »Darin kenne ich Euch nur zu gut; aber ich lache Eurer Drohungen. Dieses Leben, das ich in letzter Zeit hier geführt habe, ist doch kaum besser als das eines Hundes gewesen. – Drückt in drei Teufels Namen ab; aber glaubt nicht, daß ich mich vor solchem Kinderspielwerk fürchten soll; – 's wäre lächerlich.«
»Löst ihm die Hände und bindet sie an jenen Baum«, rief Georgine jetzt, die ihren Entschluß geändert hatte, während sie die kleine Unterlippe mit ihren hellglänzenden Zähnen fast blutig preßte. »Ich will doch sehen, ob ich die schwarze Bestie nicht zum Reden zwingen kann. – Tusk, bringe die Peitsche heraus, und peitscht ihn mir so lange, bis er bekennt, und wenn ihr ihm das schwarze, tückische Fell in Streifen vom Rücken ziehen solltet. Tod und Verdammnis dieser mörderischen Kanaille! Er soll mir, wenn er nicht gestehen will, unter der Knute verbluten.«
»Das war mein Rat von vornherein«, rief der angeredete Bootsmann. Er hatte seinen Namen von einem eberähnlich vorstehenden Zahn erhalten, der seinem Gesicht etwas Fürchterliches gab. – »Hier habe ich die Knute gleich mitgebracht, und nun wollen wir doch einmal sehen, ob das Blut ebenso schwarz ist wie die Schwarte, unter der es steckt. – Herunter mit dem Kittel, mein Mohrenprinz, und tu mir den Gefallen und schreie nicht gleich ›genug‹, daß der Spaß nicht so bald aus ist.«
Bolivar warf ihm einen wilden, trotzigen Blick zu; aber kein Laut kam über seine Lippen, und schweigend ertrug er es, als der herkulische Bursche die schwere Sklavenpeitsche nach besten Kräften über seinen nur mit einem dünnen Kattunhemd bekleideten Rücken zog, so daß dieses bald in Streifen herunterhing und das helle Blut den fürchterlichen Streichen folgte. Schweigend knirschte er nur mit den Zähnen, als sie ihn seiner Abkunft und Rasse wegen verhöhnten, seine Eltern verfluchten und ihm in übermütigem Grimme ins Gesicht spien. Schweigend hörte er die Drohungen noch füchterlicherer Strafe Georginens an, die mit zornfunkelnden Augen vor ihm stand und in der Empfindung befriedigter Rache Gefühl und Weiblichkeit vergessen zu haben schien. Bolivar blieb aber standhaft; seine zerrissenen Schultern zerfleischte die unbarmherzige Knute mehr und mehr; seine Glieder zuckten im gräßlichen Schmerz, und die Knie zitterten unter ihm. Er konnte kaum noch aufrecht stehen; aber abgebissen hätte er eher die Zunge, ehe sie seinen Henkern das verriet, was sie begehrten. – Fest aufeinander knirschte er die Zähne und fest auf das stolze Weib heftete er den wilden, drohenden Blick. Vor seinen Augen fing es jetzt an, sich in tollen, schwarzen und schillernden Nebeln zu regen – Sterne blitzten auf und nieder, und eine unbezwingbare Schwäche überkam ihn. – Er wollte sich mit letzter Anstrengung aufrecht halten; er lehnte seine Schulter an den Baum, der seine Fesseln hielt; aber es war vergebens. Die Gestalten fingen an sich vor seinen Augen zu drehen; purpurschimmernde Nacht folgte, und er sank halb ohnmächtig in die Knie.
»Will die Bestie beten?« rief der eine mit dem Eberzahn. »Auf, Kanaille! Wenn wir mehr Zeit haben, – ehe du gehängt wirst, rufe deine schwarzen Götzen an, jetzt ist's noch zu früh –«
»Halt!« rief da dicht neben ihnen eine Stimme, und zwar so kalt und gebieterisch, so ruhig und doch so fürchterlich ernst, daß die Henker überrascht in ihrer blutigen Arbeit innehielten und auch Georgine sich erschreckt dem wohlbekannten Tone zuwandte.
Es war Kelly, der, den bunten mexikanischen Mantel über den Schultern hängend, den
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