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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Kapitel 30
    Der Leser muß noch einmal mit mir zu jenem Zeitpunkt zurückkehren, wo Tom Barnwell, so unerwarteterweise angeklagt und verhaftet, von dem Konstabler dem Gefängnis oder der sogenannten County Jail zugeführt wurde, während der Squire mit Sander den Weg nach dessen eigenem Hause einschlug. Dieses Gefängnis befand sich aber in derselben Straße mit Mrs. Breidelfords Haus, und zwar gerade schrägüber von ihm, auf der anderen Seite des schon früher erwähnten freien Platzes, so daß also die beiden Männer, sobald sie in die links abführende Straße traten, den dem Gefangenen nachdrängenden Menschenhaufen verließen. Tom dagegen sah sich bald in einer kleinen, nach dem Platz hinausführenden Zelle einquartiert und seinem eigenen, nichts weniger als angenehmen Nachdenken überlassen. Unruhig schritt er in dem engen, dunklen Raume auf und ab und suchte sich die wunderlichen Vorgänge dieses Abends möglicherweise zusammenzureimen; doch umsonst, des Richters Betragen selbst blieb ihm rätselhaft, und daß Hawes ein Schurke sei, bezweifelte er jetzt keinen Augenblick mehr. War er verhaftet worden, um an der Entdeckung irgendeines Bubenstückes verhindert zu werden? Er blieb, als ihm dieser Gedanke zum ersten Male das Hirn durchzuckte, schnell und betroffen stehen und sah starr vor sich nieder. War das möglich? – Nein, nein, der wirkliche Konstabler hatte ihn ja verhaftet, und der Richter war dabeigewesen; – das konnte nicht sein; ja der Mann selbst, der ihn beschuldigte, war ihm fremd; er hatte ihn in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen; – das wußte er gewiß. Es mußte also ein Irrtum sein, der sich bald aufklären würde. Sollte er aber inzwischen hier sitzen? Edgeworth hätte unmöglich so lange auf ihn warten können, – und Marie? – Was wurde aus dem armen, unglücklichen Wesen?
    Wiederum schritt er schnell und heftig auf und ab und suchte in der raschen Bewegung auch jene wilden, tobenden Gefühle zu beschwichtigen, die ihm Herz und Sinn durchglühten. Endlich, als sein Blut anfing, sich ein wenig abzukühlen, trat er an das kleine, durch schwere Eisenstäbe wohlverwahrte Fenster und blickte in die neblige, nur hier und da von einem mattschimmernden Licht erhellte Straße hinaus.
    Der Platz vor dem Gefängnis war menschenleer. Die, die ihm dorthin gefolgt waren, hatten gesehen, wie sich die schwere, eichene Tür hinter ihm schloß, hatten eben diese Tür dann noch eine Weile angestarrt und nun langsam wieder den Weg zu ihren verschiedenen Wohnungen eingeschlagen. Nur ein einzelner Mann kam durch die Straße herunter und blieb – er hatte sich den Ort deutlich genug gemerkt – gerade vor demselben Hause stehen, vor dessen Tür er jenen jungen Mann überrascht hatte. Sollte das wieder Hawes sein? War er zurückgekehrt von seinem kranken Weibe, und suchte er jetzt noch einmal da, wo ihm der Einlaß früher verweigert worden war, Zutritt zu erhalten? Es dunkelte zu sehr; – er konnte die Gestalt nicht mehr erkennen; deutlich aber vernahm er das mehrmalige, zuletzt ungeduldige Klopfen, und endlich wurde es in dem Hause lebendig. An den unteren Fenstern erschien ein Licht. Bald darauf öffnete sich die Tür – ein heller Strahl fiel wenigstens auf den Weg hinaus –, und gleich darauf verschwand die Gestalt. Nach und nach erstarb auch das letzte Geräusch; die letzten Lichter, die er teils oben, teils unten an der Straße beobachtete, erloschen. Nur in jenem Hause blieb es hell.
    Stunde um Stunde stand Tom so an dem kleinen Fenster und blickte in die feuchte, trostlose Nacht; Stunde um Stunde lauschte er dem fernen monotonen Geräusch der Frösche und dem wunderlichen, dann und wann die Stille unterbrechenden Schrei einzelner über die Stadt hinwegstreichender Nachtvögel. Träumend hingen seine Augen an dem Nebel, und er erinnerte sich der vergangenen Tage, – der vergangenen Liebe. Manche Träne war ihm dabei, so recht heiß aus dem Herzen kommend, über die gebräunte Wange gelaufen, und er gab sich nicht einmal die Mühe, sie wegzuwischen, ja er fühlte sie vielleicht nicht einmal.
    Allein, – ganz allein stand er in der Welt; keine Seele hatte er mehr, die ihn liebte, kein Herz, das an ihm hing; starb er jetzt, wer war da, der sich viel um ihn gekümmert, der seiner vielleicht mit einer Träne gedacht hätte? Niemand, niemand, und als ihn der Gedanke durchbebte, barg er tief aufseufzend das Anlitz in den Händen und starrte in die wilden, wirren Bilder hinein, die an

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