Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
geflohen.«
»Und jetzt?«
»Verrät sie wenigstens nicht mehr, wen sie beherbergt hat«, brummte der Mörder. »Doch ich dächte, wir beeilten uns ein wenig; – wo nur die alte Hexe ihre Schätze stecken hat? Hol's der Teufel, mir wird's unheimlich hier, und je eher wir den Mississippi zwischen uns und –«
Ein donnerndes Pochen an die Tür machte, daß er entsetzt emporfuhr und fast krampfhaft den Arm seines Kameraden faßte. »Pest«, zischte er dabei und sah sich wild nach allen Seiten um, – »wir sind verloren! Können wir nicht hintenhinaus entfliehen?«
»Ich weiß nicht«, flüsterte Sander; »der Teufel traue aber, der Ort hier ist mir völlig unbekannt, und sprängen wir in einen fremden Hof und würden von Hunden angefallen und gestellt, so wäre es um uns geschehen.«
»Hallo, da drinnen!« rief jetzt eine rauhe Stimme von außen, und der schwere Hickorystock schlug gegen die Tür an. – »Mrs. Breidelford, was gibt's da? Sind Sie noch munter?«
Cotton stand wie vom Schlage gerührt; Sander aber, dem die Nähe der Gefahr auch wieder seinen ganzen kecken Übermut gab, riß schnell eine der vielen im Zimmer umhergestreuten Hauben der Ermordeten vom Boden auf, zog sie sich über den Kopf und schritt nun rasch damit zum Fenster.
»Was wollt Ihr tun?« fragte Cotton erschreckt.
Sander gab ihm gar keine Antwort, schob die Gardinen von innen zurück, öffnete das Fenster ein wenig, so daß sein Kopf von untenherauf nur etwas sichtbar blieb, und fragte, die kreischende Stimme der Mrs. Breidelford auf das treffendste nachahmend, anscheinend ärgerlich und rasch: »Nun, was gibt's da wieder? Hat man in diesem unseligen Neste nicht einmal des Nachts Ruhe, daß sich eine arme alleinstehende Frau – «
»Hallo – nichts für ungut!« rief da eine rauhe Stimme von unten, die, wie Sander augenblicklich hörte, von einem der in den Straßen postierten Wachen oder sogenannten Watchmen herrührte. »Mir war's, als ob ich hier im Hause einen Schrei gehört hätte, und da ich durch die Fensterspalten noch Licht sah –«
»Schrei? – Fensterspalten?« rief unwillig die vermeintliche Mrs. Breidelford und schlug das Fenster heftig wieder zu; – »Wer weiß, wo Ihr die Ohren gehabt habt. Geht zum Teufel und laßt arme alleinstehende Frauen –« Das andere wurde dem Nachtwächter draußen durch das Zuschlagen des Fensters unverständlich.
»Nu, nu«, sagte der Mann lachend, als er hörte, mit welcher Heftigkeit sich Madame zurückzog. – »wieder einmal nicht richtig im Oberstübchen? – Der Stew muß heute abend absonderlich gut geschmeckt haben. – Hahahaha, das hat mein Seliger tausend und tausendmal gesagt; – Luise, sagte er immer, ich weiß, du verabscheust geistige Getränke, und mit Recht; – sie passen auch nicht für das zarte Geschlecht; aber du muß das auch nicht übertreiben – sagte er, ach, ich sehe ihn noch vor mir, das liebe, gute Herz, das jetzt kalt in seinem Grabe liegt. – Es gibt Zeiten, wo ein Tröpfchen Rum, mit Mäßigkeit genossen, Arznei werden kann, und du bis eine zu verständige Frau, Luise das waren seine eigenen Worte, Ladies – als daß du nicht wissen solltest, wann dir ein Tröpfchen nützen und wann es schaden könnte – hahahaha!«
Und der Mann ging, halblaut dabei die im ganzen Städtchen bekannten Redensarten der würdigen Dame zitierend, während er mit dem rechten Arme dazu gestikulierte, langsam die Straße hinunter. Erst an der Ecke stieß er den schweren Stock, den er bis dahin im linken Arm getragen hatte, auf die Steine nieder: ein Zeichen, das von anderen Teilen der Stadt beantwortet wurde und hauptsächlich dazu diente, die Wachen gegenseitig zu überzeugen, ihre Kameraden seien munter, und sie könnten im Notfall auf deren Schutz rechnen.
Die Schritte des Wächters waren lange verhallt, und noch immer standen die beiden Verbrecher laut- und regungslos nebeneinander. Sander aber, der, sobald er den Laden geschlossen hatte, die Mütze gleich wieder abwarf, brach zuerst das Schweigen und flüsterte: »Wir sind gerettet; – den Wachen wird es jetzt nicht wieder einfallen nachzufragen, und die ganze Nacht bleibt uns, das versteckte Geld zu suchen; vergraben kann es doch unmöglich sein.«
»Wäre es nicht besser, wir flöhen jetzt, wo es noch Zeit ist?« sagte ängstlich der Mörder. – »Mir graut es hier in dem Hause.«
»Ist Euch das Herz in die Schuhe gefallen, weil Ihr da unten den Zauberstab habt klopfen hören?« lachte höhnisch Sander,
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