Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
der durch die plötzliche Angst des Gefährten und die gelungene List neuen Mut gewann. – »Nein, nun wollen wir auch sehen, ob unsere blutige Saat nicht goldene Früchte tragen wird. Geld befindet sich hier im Hause, davon bin ich überzeugt; nur das Versteck brauchen wir zu finden.«
Und rasch nahm er die vorhin auf den Tisch gestellte Lampe wieder auf und begann, von Cotton dabei eifrig unterstützt, seine Nachforschungen aufs neue. Es blieb aber alles vergebens. Sie öffneten zwar mit den Schlüsseln alle Türen und Kästen und durchstöberten jeden Winkel; aber keine Spur von Geld konnten sie entdecken, Waren und Güter genug, nur nicht das, was in diesem Augenblick für sie zehnfachen Wert gehabt hätte: Silber oder Banknoten.
Der dämmernde Tag erst mahnte sie, ihre nutzlosen Bemühungen einzustellen und an die eigene Rettung zu denken. Traf man sie in diesem Hause, so konnte selbst Dayton sie nicht retten. Sie verschlossen also rasch wieder die Türen, um nicht gleich beim ersten Betreten des Hauses augenblicklichen Verdacht zu erregen, trugen dann den Leichnam der Unglücklichen auf ihr Bett, – lauschten vorher sorgfältig aus dem jetzt dunklen Zimmer auf die Straße hinaus, ob auch keiner der Wächter in der Nähe sei und sie aus dem Hause der Witwe kommen sähe, schlichen dann schnell die Treppe hinunter ins Freie und eilten nun, als sie erst einmal die Stadt hinter sich hatten, schnellen Schrittes der Schenke zu, in welcher sie den Kapitän zu sprechen und Hilfe und Schutz zu erwarten hofften.
Kapitel 31
Der Tag dämmerte. Die Dunkelheit der Nach wich unbestimmten grauen Schatten, die, Grabesschleiern gleich, das ganze düstere, noch immer von dichtem, schwadigem Nebel erfüllte Land wie den leise gurgelnden Strom einhüllten. Die Massen aber, die bis dahin mit der Nacht verschmolzen gewesen waren, schienen sich jetzt erst wieder zu einem festen Ganzen auszuscheiden. Es sah fast so aus, als ob sie den Feind ahnten, der sich im Osten gegen sie rüste; denn inniger drängten sie ineinander und bildeten bald einen förmlichen Schutz und Wall gegen den gefürchteten Gegner. Wolke türmte sich über Wolke, und links und rechts klammerte sich der wilde Nebelkreis mit den milchweißen Armen kräftig an Busch und Baum des waldigen Ufers; links und rechts stemmte er sich gegen die Landspitze, ja gegen jeden in den Strom hinausragenden Baum, als ob er selbst durch die kleinste Hilfe und Stütze auch neue Kraft und Festigkeit gewinnen könnte. So matt und entkräftet aber auch gestern die Sonne in ihr stilles Lager gestiegen war, als sie der Übermacht weichen mußte, so kampfesmutig und frisch erstand sie heute morgen wieder, und schon der kühle Luftzug, den sie voraussandte, trieb die Plänkler des Feindes zu Paaren und warf sie auf die Hauptmacht zurück. Das waren aber auch eben nur Plänkler, kleine naseweise Wölkchen, die in tollem Mutwillen hoch oben in freier Luft spielten und die ersten sein wollten, die dem Vater Nebel das Nahen des Feindes verkündeten. Schon sein Anblick jagte sie wie Spreu vor sich her, und, hoch errötend, von seinem rosigen Licht übergossen, flüchteten sie schnell in die Arme des Vaters, der sie sich rasch in den Busen schob und nun dem anrückenden Kämpfer die Stirn bot.
Von Westen aus hatte gestern der Sonnengott umsonst versucht, mit seinen Pfeilen den Schuppenpanzer des Alten zu durchbohren; heute griff er die Sache vom anderen Ende an. Der scharfe Nord lieh ihm dazu die Hilfstruppen, pausbäckige Gesellen, die sich rücksichtslos auf den Feind warfen; rohes Volk freilich, aber zu solchem Kampfe ganz geeignet. Die griffen denn auch ohne Zögern von allen Seiten zugleich an, und als sich der Kern der Bestürmten mehr und mehr in sich selbst zusammenzog, da demaskierte plötzlich Gott Phöbus seine gewaltigen Batterien. Helleuchtende Strahlen schoß er mitten hinein in die scheu Zurückweichenden, wie glühende Keile trieb er die Licht- und Sonnenboten selbst in das Herz der nach allen Himmelsgegenden hin geformten Karrees, von oben herab kamen seine Streiche, das Haupt trafen sie trotz Schild und Wehr, und zurückgeworfen von der fürchterlichen, unwiderstehlichen Gewalt wichen die Massen und gerieten ins Schwanken.
Das aber hatten die leichten Bataillone der derben Nordwinde kaum bemerkt, als sie sich mit erneuter Kraft auf den einmal in Unordnung gebrachten Feind stürzten. Hier und da sonderten sie einzelne schwache Schwärme von dem Hauptkorps ab und trieben sie
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