Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
gerade die Gesetze; denn sie allein sind ihm die Bürgen seiner Freiheit. Doch Gentlemen, es wird spät, und ich möchte noch gern vor Dunkelwerden hinauf zu Colbys; – also gute Nacht! – In einigen Tagen komme ich wieder hier vorbei, und dann, Broadly«, wandte er sich an den Kaufmann aus Helena, »können wir auch den Handel abschließen, denke ich. Ich habe nur noch einige alte Schulden dort oben zu bezahlen; so viel Geld bleibt mir aber wahrscheinlich noch. Also good bye!« Mit diesen Worten zahlte er an der Bar seine kleine Rechnung, ließ sich die Satteltasche wieder herausgeben, legte sie über den Sattel seines ungeduldig scharrenden Braunen, stieg auf und trabte, noch einmal herübergrüßend, die Elmstreet hinab in den Wald, der das Städtchen begrenzte.
Kapitel 4
›Squire oder Doktor Dayton‹ – denn er wurde sowohl das eine wie das andere in Helena genannt – verließ das Union-Hotel und erreichte bald darauf ein kleines, aber zierlich gebautes Haus an der Westseite Helenas, um das herum die gewaltigen Bäume des Urwalds nur eben weit genug niedergehauen waren, um nicht mehr mit ihren Wipfeln das friedliche Dach erreichen zu können. Reinlich weiß angestrichen, stachen die hellgrünen Jalousien um so freundlicher dagegen ab, und der jetzt aufsteigende Mond schien gar hell und klar gegen die blitzenden Spiegelscheiben eines im ersten Stock offen gelassenen Fensters, ein Luxus, der in dem einfachen Westen gar selten angetroffen wurde.
Aber auch das Innere der kleinen Wohnung entsprach vollkommen dem soliden, gemütlichen Ansehen seines Äußern. Allerdings war es nicht prächtig und kostbar eingerichtet, aber die massiven Mahagoni-Möbel, die schneeweißen Vorhänge, die elastischen, mit dunklem Damast überzogenen Ruhesessel und Stühle verkündeten deutlich genug, daß hier Wohlhabenheit, wenn nicht Reichtum herrschte.
Viele andere Kleinigkeiten, wie zierliche Nippesfiguren auf den kleinen Seitentischen, angefangene weibliche Handarbeiten, der Nähtisch am linken Eckfenster mit dem sauber geflochtenen Strickkörbchen an der Seite, gossen dabei jenen Zauber über das stille, wohnliche Zimmer, den nur die Gegenwart holder Frauen einem Gemach, und sei es sonst das prächtigste, zu verleihen imstande ist.
Ein kleiner fröhlicher Kreis hatte sich aber auch um den runden, zum Sofa gerückten Tisch versammelt, auf dem die englischbronzene weitbauchige Teemaschine zischte und qualmte, und fröhliches Lachen tönte dem jetzt eben an die Haustür pochenden Squire entgegen, der seltsamerweise einen ernsten, ja fast traurigen Blick zu den hellerleuchteten Fenstern hinaufwarf.
Da verstummte das Lachen plötzlich oder wurde wenigstens von den rauschenden Tönen eines deutschen Walzers übertäubt, den geübte Finger einem wohlklingenden, kräftig besaiteten Flügel entlockten. Mr. Dayton mußte auch wirklich zur Klingel seine Zuflucht nehmen, um den Dienstboten, die oben auf der Treppe standen und den so gern gehörten Melodien lauschten, seine Gegenwart zu verkünden.
Sobald er ins Haus eingetreten war, schien aber auch seine ganze frühere Heiterkeit zurückgekehrt zu sein, wenigstens blitzte sein Auge freier und fröhlicher. Er flog schnellen Schrittes die Stufen hinauf und stand im nächsten Augenblick bei den Seinen, von all dem Lärmen und Jubel umgeben.
»Endlich – endlich!« rief die Klavierspielerin, sprang auf und eilte, als Mr. Dayton in der Tür erschien, diesem entgegen. »Der gestrenge Herr haben heute unverzeihlich lange auf sich warten lassen.«
»Wirklich?« lächelte der Squire, während er die Anwesenden freundlich grüßte und dann seinem ihm entgegenkommenden Weibe einen leichten Kuß auf die Stirn drückte. »Hat mich meine kleine, wilde Schwägerin heute einmal vermißt?«
»Heute einmal«, lachte das fröhliche Mädchen und warf sich mit schneller Kopfbewegung die langen, dunklen Locken aus der Stirn, »heute nur einmal? Ei, mein liebenswürdiger und gestrenger Friedensrichter muß seiner untertänigsten Dienerin einen sehr schlechten Geschmack zutrauen, wenn er glauben könnte, sie fühlte sich ohne ihn nur einen Augenblick wohl und glücklich. Heute hat die Sache aber noch eine besondere Bewandtnis. – Hier wartet nun Mr. Lively schon eine volle Stunde auf Sie und trägt sicherlich ein schweres, fürchterliches Geheimnis auf dem Herzen; denn keine Silbe ist ihm in dieser unendlich langen Stunde über die Lippen gekommen; – auch Mrs. Breidelford –«
»Bitte um
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