Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
sie ihr Weg hierher führte. Doch kommen Sie, rücken Sie sich Ihren Stuhl zum Tisch und langen Sie zu – Trinken Sie weiß? Hier – hier steht alles – bedienen Sie sich selbst! – Wie geht es denn Ihrem Vater?«
»Danke, Madame, danke«, sagte James, der jetzt, da er Adele den Rücken zudrehen durfte, freier zu atmen anfing, »es macht sich mit dem Alten. – Wir sind schon wieder zusammen auf der Bärenjagd gewesen, und da können Sie sich wohl denken, daß er nicht mehr sterbenskrank ist; – von so ein wenig Fieber erholt er sich schnell wieder.«
»Geht er denn noch immer barfuß in den Wald?« fragte Adele und glitt in den dicht neben dem Sofa stehenden Sessel, so daß sie dem jungen Hinterwäldler jetzt gerade gegenübersaß. James fing wieder an, unruhig auf seinem Sessel herumzurücken. – Er mußte sich den Rock aufknöpfen; es wurde ihm siedend heiß. Mrs. Breidelford schien übrigens auch diese Antwort übernehmen zu wollen, denn mit einem »Ja, ja, Miß Adele, – was das Barfußgehen anbetrifft«, wandte sie sich an das junge Mädchen. Dayton parierte aber in lobenswertem Mitleid die ihr zugedachte Rede, indem er Mrs. Breidelford selbst in ein Gespräch verknüpfte. Dadurch gewann James Zeit, sich zu sammeln, und weil sich überdies das Gespräch auf sein eigenes heimisches Gebiet zog, so wurde er auch immer unbefangener und zuversichtlicher.
»Die Erkältung des alten Mannes rührte gewiß von der häßlichen Angewohnheit her, weder Schuhe noch Strümpfe zu tragen«, sagte Mrs. Dayton »Mrs. Lively sollte es nur nicht leiden.«
»Ach, das würde nichts helfen«, meinte James; »Vater ist darin ganz obstinat; – was er einmal will, davon bringt ihn kein Mensch ab.«
»Gerade wie mein Seliger, Mr. Lively«, mischte sich hier die unvermeidliche Mrs. Breidelford trotz aller Ableiter wieder ins Gespräch, – »aber ganz so wie mein Seliger. – Breidelford – sagte ich oft – du wirst dich noch ruinieren, das naßkalte Wetter ist dein Tod; ich rate dir, zieh' die wollenen Strümpfe an! Glauben Sie, er hätte es getan? Nicht um die Welt. Luise, sagte er, das verstehst du nicht; menschliche Konstitution ist wie –«
Leider erfuhr die Familie Dayton an diesem Abend nicht, wie menschliche Konstitution eigentlich beschaffen sei; denn gerade hier, und als Adele schon im Begriff war, ihren kaum verlassenen Platz am Piano wieder einzunehmen, riß es auf einmal so stark an der Klingel, daß Mrs. Breidelford mit einem »Jesus, meine Güte« erschrocken emporfuhr und auch Mrs. Dayton und Adele überrascht nach der Tür blickten. Nur Squire Dayton blieb ruhig sitzen und sagte lächelnd: »Es wird Mr. Smart sein, ich bat ihn heute abend noch ein wenig herüberzukommen. – Ja, das ist sein Schritt.«
»Ist das Mr. Smart, der Wirt des Union-Hotels?« rief Adele und sprang an den Glasschrank, um noch eine Tasse für den neuen Gast herbeizuholen.
»Der nämliche«, sagte der Squire; »doch da ist er selbst.« Und herein trat, den Hut, den er ganz in Gedanken auf dem Kopfe behalten, schnell abreißend, Jonathan Smart. Allen im Kreise, Mrs. Breidelford ausgenommen, der er eine stumme Verbeugung machte, reichte er die Hand zum Gruße, die er Squire Dayton und James Lively noch ganz besonders herzlich schüttelte, und hierauf setzte er sich mit einem höchst selbstzufriedenen und behaglichen Lächeln auf den Stuhl, den ihm die Mulattin Nancy schnell hingerückt hatte.
»Well, Ladies und Gentlemen, freut mich ungemein, Sie alle wohl zu sehen«, sagte er dabei. »Danke, Miß, danke; – ich trinke keine Milch, lieber ein bißchen Rum in den Tee.«
Miß Adele hatte ihm die Tasse überreicht, und es war dadurch, daß sich die letzten Worte des Gesprächs gerade auf den Eingetretenen bezogen hatten, eine kleine Pause entstanden. Smart bemerkte das übrigens und wandte sich an Mrs Dayton: »Bitte, Madame, es sollte mir leid tun, wenn ich Ihre Unterhaltung etwa unterbrochen oder gestört hätte; – ich komme auch allerdings etwas spät, aber Squire Dayton –«
»Ganz und gar nicht, Mr. Smart, – ganz und gar nicht«, fiel ihm hier Mrs. Breidelford schnell in die Rede; – »ich sprach nur eben von – ach, du lieber Gott, von was sprach ich denn gleich? – Ja, mein unglückseliges Gedächtnis, Mr. Smart, mein unglückseliges Gedächtnis! – Schon mein lieber seliger Mann sagte immer – Luise, sagte er, du hast deinen Kopf in deiner Jugend zu sehr angestrengt, du hast zuviel gerechnet und gesorgt; –
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