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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Verzeihung, mein liebwertestes Fräulein«, sagte die Genannte, die bis dahin auf Kohlen gesessen zu haben schien, das Wort zu nehmen, »keineswegs; denn ich glaube doch wirklich nicht, daß Sie sich bei mir über Zungenfaulheit beklagen können; eher vielleicht das Gegenteil. – Ich kenne meine Schwäche, mein Fräulein, und wie der ehrwürdige Mr. Sothorpe so schön sagt, ist das schon ein Schritt zur Besserung, wenn man seine eigenen Schwächen wirklich kennt. Mein seliger Mann freilich – ein Engel von Geduld und Sanftmut – behauptete immer das Gegenteil. Glauben Sie wohl, Squire Dayton, daß das gute Herz mir einreden wollte, ich spräche wirklich nicht zuviel? – Breidelford, sagte ich aber, Breidelford, versündige dich nicht; – ich weiß, wie ich bin; ja, Breidelford, ich kenne meine Schwäche, und wenn ich dir auch nicht zuviel rede, so fühle ich doch selbst recht gut, wie das ein Fehler von mir ist, den ich mir aber, da ich ihn einmal kenne, auch alle Mühe geben werde zu verbessern.«
    »Eine Tasse Tee, beste Mrs. Breidelford«, unterbrach hier Mrs. Dayton den allem Anschein nach undämmbaren Zungenschwall, – »bitte, langen Sie zu!« – Adele aber, die augenblickliche Pause benutzend, setzte sich rasch wieder ans Klavier, und ein so rauschender Tanz dröhnte, von den starken Saiten widervibrierend, durch das Gemach, daß jede Fortsetzung von Mrs. Breidelfords begonnener Selbstbiographie dadurch schon im Keime erstickt wurde.
    »Ist der Mailrider noch nicht hier gewesen?« fragte Mr. Dayton endlich, als die Ruhe wieder ein wenig hergestellt war.
    »Der Mailrider? Nein; aber Mr. Lively hier scheint seinen Auftrag gern ausrichten zu wollen«, sagte Adele und blinzelte schelmisch zu dem jungen Manne hinüber, dem offenbar recht unbehaglich zumute war.
    James Lively saß auch wirklich da, als ob er nicht bis drei zählen könnte. Alle Gliedmaßen waren ihm im Wege oder auf irgendeiner falschen Stelle. Bald hatte er das rechte lange Bein hoch oben auf dem linken, daß es weit bis mitten in die Stube hineinragte; bald zog er die Füße fest unter dem Stuhl zusammen, faltete die Hände und hetzte seine Daumen um ihre eigene Achse; dann griff er mit dem rechten Arm hinunter nach dem hintersten rechten Stuhlbein und versuchte eifrig die Politur herunterzukratzen; dann holte er mit der Linken das mächtige seidene Tuch aus der Tasche, um es gleich darauf wieder sorgfältig zurückzuschieben; kurz, James befand sich so wohl wie ein Hecht auf dem Sand oder ein Hase auf dem Eis, und wenn er auch manchmal den Blick scheu zu dem schönen, munteren Mädchen emporwarf, so brauchte er doch nur dem Schelmenauge zu begegnen, gleich senkte sich auch sein Antlitz in prachtvoller gesottener Hummerfarbe wieder nieder. Nachher, wie in einem wilden Fluchtversuch, griff er tief, tief unter den Stuhl, wo früher sein Hut gestanden hatte, den aber später, auf einen Wink Mrs. Daytons, die junge Mulattin weggenommen und hinten auf das Klavier gestellt hatte, und er saß nun in voller Verzweiflung auf dem weich gepolsterten Stuhl wie auf glühenden Kohlen.
    James Lively war übrigens sonst keineswegs so verschämt und blöde. Er war im Walde aufgewachsen, und es gab keinen besseren Jäger und Landmann im ganzen County als ihn. Mutig dabei bis zur Tollkühnheit, hatte er vor kurzem erst den Einzelkampf mit einem Panther gewagt und gewonnen und im Boxen die Besten überwunden. Aber im Walde mußte er auch sein, wenn er all diese Fähigkeiten entwickeln sollte. In Damengesellschaft getraute er sich nicht, den Mund zu öffnen, und wenn er auch – wie Mrs. Breidelford – vollkommen seine Schwäche kannte, so wäre es ihm dennoch nicht möglich gewesen, eine Scheu zu überwinden, die ihm Zunge und Glieder lähmte. So auffallend wie heute hatte sich diese Befangenheit übrigens noch nie gezeigt. Sie schien sogar durch Adelens leise Anspielungen ihren höchsten Grad zu erreichen, als sich Squire Dayton ins Mittel schlug, auf den jungen Mann zuging und ihm mit einem freundlichen »Gott zum Gruß, Mr. Lively! Was macht der Vater und wie steht es daheim mit der Farm?« plötzlich wieder Mut und Selbstvertrauen ins Herz legte.
    Die Worte, die ganze Anrede, die Beziehung auf die heimische, ihm bekannte Umgebung wirkten wie ein wohltätiger Zauber auf den Waldbewohner. Er sprang auf, holte tief Atem, ergriff schnell die dargebotene Rechte und antwortete, als ob ihm eben eine Zentnerlast von der Brust gewälzt wäre:
    »Danke, Squire

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