Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
durch die Krempe zu verstellen.
»Es wird irgendein Flatbooter sein, der hier wie gewöhnlich seine paar Dollar verspielt hat und nun in aller Eile hinter seinem indessen vorausgegangenen Boot herrudern muß.«
»Dann kommt dort noch die ganze übrige Mannschaft«, sagte der Ire, und zugleich glitt ein großes Segelboot in den Strom, das aber nicht dieselbe Richtung wie die kleine Jolle nahm, sondern den Bug etwas stromauf scharf in den Fluß hinein hielt, als wenn sie die Landung am andern Ufer so hoch wie möglich machen wollten.
»Weathelhope drüben bekommt heute Besuch«, sagte Smart; – »wird sich unmenschlich freuen.«
»Sollten die bei Weathelhope einkehren?«
»Wenn nicht, so haben sie noch wenigstens fünf Meilen heute abend zu marschieren, ehe sie ein anderes Haus erreichen können, und fünf Meilen bei Nacht und Nebel durch den Sumpf zurückzulegen, dafür dankte ich. Lieber bliebe ich die Nacht dicht am Ufer des Stromes; da ließen die Moskitos doch wenigstens noch etwas von mir übrig; in dem Swamp aber drin fräßen sie, glaube ich, einen Menschen bis auf die Knochen auf.«
»Es wäre bei Gott kein Verlust, wenn das den Kanaillen heute passierte«, brummte der Ire. – »Doch, gute Nacht, Smart; es wird spät, ich will mich schlafen legen. Von heute an bin ich übrigens Euer Schuldner, denn ohne Euch läge ich jetzt tief unten in der schmutzigen Flut. – Gebe Gott, daß ich Euch das einmal vergelten kann!«
»Ei, O'Toole«, sagte der Wirt lachend, während er ihm die Hand reichte, – »das war bloß Eigennutz von mir; ich hätte ja sonst einen meiner besten Gäste verloren. – Doch – ohne Spaß –, nehmt Euch vor dem rohen Volk künftig lieber ein wenig mehr in acht. – Es hat niemand Ehre davon, sich mit ihnen einzulassen.«
Die Männer schritten langsam zu ihren Wohnungen in die Stadt zurück. Nur O'Toole blieb noch mehrere Male stehen und lauschte aufmerksam nach den Ruderschlägen des Bootes hinüber, die in immer weiterer und weiterer Ferne verklangen, bis sie endlich ganz plötzlich aufhörten oder ein veränderter Windzug den Laut nicht mehr zum westlichen Ufer trug. Der Ire horchte noch eine Weile und murmelte dann ärgerlich vor sich hin: »Hol sie der Teufel! – Jetzt läßt sich doch nichts mit ihnen anfangen. Aber wartet, – morgen will ich einmal hinüberfahren nach Weathelhope, und dann müßte es ja mit dem Henker zugehen, wenn man nicht auf die Fährte der Schufte kommen könnte.«
Das Boot strebte übrigens keineswegs, wie der Ire vermutet und es, von Helena aus gesehen, den Anschein hatte, dem andern Ufer zu; es hielt nur in gerader Richtung durch den Strom, bis etwa fünfhundert Schritt von seinem scheinbaren Ziel.
» Stop here![Halt!] « sagte da plötzlich eine rauhe, tiefe Stimme, die vom Heck des Fahrzeugs kam, und die vier Bootsleute hoben gleichzeitig ihre Ruder hoch aus dem Wasser, daß die daranhängenden, glänzenden Tropfen bis zu dem Bootsrande zurückliefen und hier die Ruderlöcher näßten. Es war der Steuermann, der den Befehl gegeben hatte, ein alter Bekannter von uns, der Narbige, der in Helena dem armen Iren bald so gefährlich geworden wäre. Auch die neun Männer an Bord, vier an den Rudern und fünf behaglich zwischen diesen ausgestreckt, bildeten die Mehrzahl derer, die an dem Uferkampf gegen den einzelnen einen so ungerechten Anteil genommen hatten.
Das Boot trieb nicht mehr so schnell durch die Flut, blieb aber noch hinlänglich im Gange, um von dem Steuer stromab regiert zu werden.
»Ich wäre lieber noch ein wenig weiter hinübergefahren«, sagte der eine jetzt, während er den Kopf hob und nach dem noch ziemlich fernen Ufer hinüberschaute.
»Und wozu?« fragte der mit der Narbe. – »Erstlich liefen wir Gefahr, auf den Sand zu rennen, und dann möchten sie auch oben in dem Haus auf uns aufmerksam werden, und das ist beides nicht nötig.«
»Lassen wir die runde Weideninsel links oder rechts liegen?«
»Links.«
»Das ist ja wohl auch das tiefste Wasser?«
»Deshalb nicht, unser kleines Känguruh würde schon über die flachen Stellen fortspringen. So arg ist es übrigens auch gar nicht, wir haben an beiden Seiten der Insel bei jetzigem Wasserstand und an den seichtesten Stellen sechs Fuß und brauchen höchstens anderthalb.«
»Nun, mir recht. – Ich weiß mit dem Fluß nicht Bescheid, aber – wie lange fahren wir denn wohl bis hinunter?«
»Es mögen etwa vierzehn Meilen von Helena sein«, meinte der Narbige. »Eine Meile
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