Die Formel der Macht
geduscht und mit Hose und offen stehendem Hemd bekleidet, legte Duncan Platzdeckchen, Besteck und Servietten auf ihren Esstisch und stellte eine Schale mit Parmesankäse sowie eine Pfeffermühle in die Mitte. Es war für Summer ein kleiner Schock, feststellen zu müssen, dass sie ihn, obwohl sie sich seiner Anwesenheit viel zu bewusst war, um entspannt sein zu können, in ihrer Wohnung keineswegs als Eindringling empfand. Wenn sie ganz ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie glücklich wäre, wenn er die Nacht bei ihr verbringen würde. Nicht nur wegen des überirdischen Sex, sondern auch, weil es schön wäre, mit Duncan neben sich einzuschlafen.
“Warum runzelst du so die Stirn?”, fragte er, während er ein Glas Weißwein für sie neben den Herd auf den Tresen stellte.
“Ich habe mich gefragt, ob genug Salz in der Soße ist …” Sie unterbrach sich. Die Schutzbehauptung war ihr automatisch über die Lippen gekommen. Zehn Jahre Verstellung prägten. Sie holte tief Luft. “In Wirklichkeit habe ich gedacht, wie seltsam es ist, dass es sich so angenehm anfühlt, dich hier zu haben.”
“Angenehm?” Er hob eine Augenbraue, dann grinste er. “Ich schätze, das soll ich als ein Kompliment auffassen.”
“Das größte.” Sie hielt ihm den Kochlöffel zum Kosten hin. “Was hältst zu von der Soße? Fehlt noch Salz?”
“Nein, sie ist perfekt.” Er lehnte sich gegen den Tresen, schaute ihr zu und trank ab und zu einen Schluck von seinem Wein. “Ich sterbe vor Hunger. Wie lange dauert es noch bis zum Essen?”
Sie stach mit einer Gabel in eine der Ravioli. “Zwei Minuten.”
“Ich schätze, so lange halte ich es noch aus.” Die Zeitschaltuhr am Backofen klingelte. “Ich nehme das Brot raus”, bot er an.
Als sie ihre Teller zum Tisch trug, sah sie, dass Duncan die gelben Kerzen angezündet hatte, die seit Ostern auf dem Tisch standen. Er hatte das Licht ausgemacht, sodass ihr Computerbildschirm im Dunkeln leuchtete und ihr Kamin den magischen Glanz seiner glorreichen Tage um 1900 annahm. Sie hatte schon oft bei Kerzenlicht gegessen und oft mit Leuten, die sie mochte, aber Summer konnte sich an kein Essen erinnern, das ihr mehr Freude gemacht hatte als dieses. Und obwohl es nur Tiefkühlravioli waren, schmeckten sie köstlich.
Mit der Nachspeise, die aus Zitroneneis bestand, ließen sie sich Zeit und unterhielten sich über Duncans letzte Reise nach Brasilien, den Fortschritt ihrer Umweltstudien und schafften es sogar, sich über Politik zu unterhalten, ohne die ungewöhnliche Harmonie zu zerstören.
“Wie findest du es, dass dein Vater vorhat, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen zu kandidieren?”, fragte Duncan und stand auf, um die Kaffeekanne zu holen.
Sie fühlte sich nicht im Geringsten alarmiert. “Wie kommst du denn darauf?”, fragte sie, während sie die Dessertschalen abräumte. “Dad hat gesagt, dass diese Legislaturperiode seine letzte aktive sei und dass er die Politik langsam satt hat. Vor allem die Parteipolitik. Sobald der nächste Präsident vereidigt ist, will er sich zur Ruhe setzen und in seinem Cottage in Maryland seine Memoiren schreiben.”
Es dauerte einen winzigen Moment, ehe Duncan antwortete: “Klingt wie ein guter Plan.” Er lächelte. “Was glaubst du, wird er einen Ghostwriter anheuern?”
Summer spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. “Du hast dich schnell erholt, Duncan, aber ich habe gehört, wie du einen Sekundenbruchteil gezögert hast, bevor deine Antwort kam. Mein Vater hat dir gesagt, dass er bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren will, stimmt's?”
“Er und Olivia haben es ein paarmal erwähnt”, räumte Duncan ein. “Tut mir leid. Ich dachte, du wüsstest es bereits.”
“Nein, aber das macht ja nichts. Er wird es wohl kaum geheim halten können.”
“Nicht lange jedenfalls. Bis zum Jahresende wird er es öffentlich verkünden müssen, wenn er eine reele Chance haben will, gewählt zu werden.”
“Richtig. Und indem du mir die Neuigkeit beigebracht hast, hast du ihm eine unangenehme Aufgabe erspart, da bin ich mir ganz sicher.” Summer rang sich ein Lächeln ab, weil ihr klar war, dass es kleinlich von ihr war, sich hintergangen zu fühlen. Im Grunde ihres Herzens hatte sie nie wirklich geglaubt, dass ihr Vater seine Ankündigung, sich aus der aktiven Politik zurückzuziehen, wahr machen würde. Und genau betrachtet ging es sie auch gar nichts an, was ihr Vater machte. Sie war ein erwachsener Mensch und lebte ihr eigenes
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