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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Coen
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Fällen waren es ineinanderfließende Gedanken zu Fortpflanzungswachstum und Umweltgrenzen, die die Grundlage für die Formulierung der natürlichen Selektion lieferten.
    Der Begriff des Wettbewerbs ist häufig verbunden mit dem der Verstärkung. Wie Darwin und Wallace feststellten, liegt das daran, dass Wettbewerb häufig durch den Druck großer Zahlen entsteht. Für ein besseres Verständnis der natürlichen Selektion ist es aber zunächst hilfreich, beide Begriffe voneinander zu trennen und die Bedeutung des Wettbewerbs ohne Verstärkung zu betrachten. Bei einer getrennten Betrachtung des Wettbewerbs wird auch klarer werden, warum die Theorie der natürlichen Selektion kein Zirkelschluss im Sinne eines Überlebens der Überlebenden ist. Um die erheblichen Auswirkungen darzustellen, die Wettbewerb ohne Verstärkung haben kann, kehren wir noch einmal zu unserem Beispiel mit den schwarzen und weißen Kugeln zurück.
    Stellen wir uns ein Lotto-Ziehungsgerät vor, das gleich viele schwarze und weiße Kugeln enthält, die ständig durchmischt werden (Abb. 3, links). Es gibt, sagen wir, 500 Kugeln von jeder Farbe, die Gesamtpopulation beträgt also 1000 Kugeln. In bestimmten Abständen werden durch einen Auslass am Boden unseres Geräts wenige Kugeln entnommen. Nach einiger Zeit schließen wir den Auslass und haben dann eine Stichprobe von, sagen wir, 100 Kugeln. Da diese Stichprobenpopulation kleiner ist als die Gesamtpopulation, können wir sagen, dass die Kugeln im Ziehungsgerät um einen Platz in der Stichprobe konkurrieren. Allerdings verstehe ich unter Wettbewerb dabei nicht, dass die Kugeln aktiv gegeneinander kämpfen, sondern nur, dass wir eine Vielzahl von Kandidaten für eine begrenzte Anzahl von Plätzen haben.
    (3) Probennahme aus einer Population von Kugeln mit nachfolgender Reproduktion und erneuter Probenentnahme.
    Nehmen wir nun an, die 100 Kugeln in unserer Stichprobenpopulation replizieren sich und fertigen so viele Kopien ihrer selbst an, bis wir irgendwann wieder bei 1000 Kugeln sind. Diese werden als neue Lotto-Population von 1000 Kugeln in ein leeres, aber identisches Ziehungsgerät gegeben. Wir stehen jetzt praktisch wieder am Anfang, nachdem wir eine Generation der Probenentnahme und der Replikation durchlaufen haben. Diesen Zyklus können wir nun füreine weitere Generation durchlaufen, indem wir aus dem neuen Gerät wieder 100 Kugeln als Stichprobenpopulation entnehmen, die wir so replizieren, dass wieder 1000 neue Kugeln in ein wieder neues leeres Ziehungsgerät gegeben werden. Der Ablauf des Durchmischens und der Probenentnahme lässt sich über immer mehr Generationen hinweg wieder und wieder durchlaufen. Was geschieht mit der Zeit mit so einem System?
    Betrachten wir zunächst den Fall, dass zwischen den Eigenschaften der schwarzen und weißen Kugeln kein Unterschied besteht. Das heißt, sie konkurrieren gleichberechtigt um einen Platz in der Stichprobe (so wie etwa in einem Wettbewerb von Menschen mehrere gleich starke Teilnehmer um eine begrenzte Anzahl von Plätzen in einer Gruppe konkurrieren). Beginnen wir mit gleich vielen schwarzen und weißen Kugeln, so könnte man erwarten, dass ihr identischer Anteil über viele Generationen hinweg mehr oder weniger erhalten bleibt. Tatsächlich aber besteht nach etwa 100 Generationen die Population mit höchster Wahrscheinlichkeit nur aus schwarzen oder weißen Kugeln. Dieses erstaunliche Ergebnis hat mit der Art und Weise zu tun, in der zufällige Varianten auftreten. In unserer ersten Stichprobe hatten wir zum Beispiel vielleicht nicht genau 50 weiße und 50 schwarze Kugeln, sondern etwas mehr von einer Farbe. Für unser Beispiel setzen wir 53 schwarze und 47 weiße Kugeln an. Nach der Replikation haben wir im nächsten Ziehungsgerät dann etwa 530 schwarze und 470 weiße Kugeln. Die Variabilität in unserer Stichprobe wurde auf die Lotto-Population übertragen. Damit beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass in der Stichprobe eine schwarze Kugel landet, jetzt etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent). Die Variabilität in unserer nächsten Stichprobe kann diesen Unterschied wiederum verstärken oder auch reduzieren. So kann der Anteil an schwarzen und weißen Kugeln nach oben und unten schwanken, während die Variabilität jeweils von einem Ziehungsgerät an das nächste weitergegeben wird. Nach etwa 100 Generationen der so akkumulierten Fluktuation ist die Population in der Regel schließlich auf nur eine Farbe umgeschlagen. Ist es

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