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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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Fotoausrüstung? Du hast ja nur deine Kamera umgehängt.“
    Suchend blicke ich umher, bis mir wieder einfällt, dass ich am Morgen alles im Wagen gelassen habe. Das Auto steht in der Museumsgarage, ist also ein ziemliches Stück entfernt von unserer angemieteten Location. Während ich das Raul erzähle, wählt er bereits eine Nummer auf seinem Handy und bestellt einen Fahrradkurier, der zunächst meinen Autoschlüssel abholen soll und mir dann die Fototasche bringen muss. Das ist natürlich alles sehr kompliziert und das Problem habe wieder einmal ich verursacht.
    Der Tag ist mit Fotografieren wie im Flug vergangen, doch der Funke wollte bisher nicht so recht überspringen. Hunderte von Bildern habe ich auf meinen Speicherkarten, die alle hübsch sind, aber es fehlt das Leben, dieses Knistern, das mir sonst fast immer gelingt, wenn ich mit einem Paar fotografiere. Wir läuten jetzt das Finale ein. Das bedeutet, die delikaten Szenen kommen an die Reihe. Ein Hauch von Verruchtheit und latenter Erotik, so hat sich der Kunde ausgedrückt, der mit verschränkten Armen hinten an der Wand lehnt und keinen sehr entspannten Eindruck macht. Immer wieder zieht er die Augenbrauen missbilligend zusammen, denn meine Modelmotivation ist wirklich sehr lahm.
    Ständig muss ich an den neuen Freund von Marion denken, und dass er möglicherweise wie ein Inder aussieht, kann einfach kein Zufall sein. Zu dumm, dass Raul nicht nach seinem Namen gefragt hat, aber jetzt während der Arbeit kann ich ihn auch nicht bitten, Marion anzurufen. Das geht einfach nicht. Also muss ich mich endlich zusammenreißen und diese Gedanken ganz weit hinten einreihen. Jetzt heißt es, alles geben, damit das Fotoshooting doch noch ein Erfolg wird und der Kunde zufrieden ist.
    Raul merkt, dass es jetzt um unser Honorar geht und sprüht vor Ideen. Er drapiert Ivanka, das weibliche Model, mit nacktem Rücken zur Kamera. Sie braucht nur lasziv über ihre Schulter in die Linse zu blicken, dabei den Mund ein klein wenig öffnen, das ist auch schon alles. Marek, das männliche Model, liegt auf den Ellbogen aufgestützt neben ihr auf dem Bett und hält seinen Kopf andeutungsweise an Ivankas Busen. Wie gesagt, die Erotik soll sich im Kopf des Betrachters abspielen, so habe ich mir das gedacht. Auf diese Weise entsteht ein Foto, das Erotik und Verlangen ausdrückt, ohne vulgär zu wirken.
    Doch der Gesichtsausdruck von Ivanka ist nicht unschuldig lasziv, wie ich es will, sondern geil wie bei einer billigen Nutte. Als ich ihr das auch direkt ins Gesicht sage, sieht sie mich nur mitleidig an und signalisiert mir unterschwellig, dass ich in meinem Alter ja überhaupt nichts mehr von Sex verstehe.
    Aber ich lasse mich nicht provozieren und gebe Raul ein Zeichen, damit er die Szenerie anders arrangiert. Wieder blicke ich durch den Sucher und sehe ihren nackten Rücken. Sie kniet vor Marek, der jetzt steht und mit erhobenem Kopf in die Ferne blickt. Jetzt bekommt das Bild diese geheime Erotik, diesen unterschwelligen Sex, denke ich zufrieden und will noch die Tiefenschärfe über das Display korrigieren, ehe ich die beiden abschieße. Doch Marek sieht auf dem Display plötzlich ganz anders aus. Seine Haare sind mit einem Mal schwärzer als schwarz und seine Haut ist so braun wie Schokolade – ja, wie die Haut von Talvin.
    „Stopp!“, rufe ich und hebe meine Hand. „Ich brauche noch eine Minute.“
    Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Raul nervös die Stirn kraust und an seiner Unterlippe kaut. Der Kunde stößt sich von der rückwärtigen Wand ab und kommt mit verschränkten Armen langsam näher.
    „Ist doch gut so, oder?“ Fragend blickt er von Raul zu mir, doch ich kann mich jetzt nicht um ihn kümmern.
    Langsam taucht die Erinnerung wieder auf, Stück für Stück, wie kleine Inseln, die ohne Ziel auf dem Meer der verdrängten Ereignisse dahintreiben.
    Ja, ich erinnere mich. Ich wollte Talvin spontan überraschen, denn ich war zufällig in der Nähe der Operngasse. Talvin hatte mir zwar verboten, ihn unangemeldet zu besuchen, aber darüber setzte ich mich einfach hinweg. Aufgeputscht von meinen Fantasien bin ich wie immer die Treppe nach oben gesprintet, so schnell wie nie zuvor, da mir plötzlich alles viel zu langsam erschien für meine aufgestauten Energien, die mit einem Male so heftig wurden wie meine Sehnsucht nach Talvin. 
    Die grau gestrichene Stahltür zu seiner Dachterrassenwohnung stand weit offen und so konnte ich ohne Stopp durch das langgestreckte

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