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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Links davon hatte man etwas auf den Schornsteinkranz montiert, das wie ein großer Hundeknochen aussah. Oder wie eine Hantel. Auf einem anderen Schornstein stand eine Art Hocker, auf einem weiteren eine metallene Kugel, die sich zu drehen schien.
    Beim größten drückte sie den Auslöser: es war ein behäbiger, wie der Rumpf eines Kahns gebauter Kamin mit einem Spitzdach aus zwei gegeneinander gelegten Steinplatten. Es war eine friedliche Welt, die Welt der Schornsteine. Sie fühlte sich aufgehoben da oben in der Versammlung von geselligen Einzelgängern.
    Sie war so versunken in die Bilder, die sie durch das Auge der Kamera sah, daß sie die Musik gar nicht wahrnahm. Erst ein rauschendes Crescendo riß sie aus ihren Betrachtungen. Es war nicht das erste Mal, das aus dem schmalen Haus mit dem Erker das ganze Dorf beschallt wurde. Sein Besitzer liebte große Orchesterklänge, schmetternde Bläser, satte Streicher. Sie hatte sich schon oft gefragt, wer sich nicht genierte, ein Bergdorf am Rande der Cevennen mit klassischer Musik zuzudröhnen. Sie senkte die Leica.
    Sie hatte den schlanken Mann mit den kurzen Locken und der unauffälligen Brille erst ein einziges Mal gesehen – im Dorf, als er gerade das Maison de la Presse von Monsieur Durand verließ. Seltsamerweise hatte sie den Mann für den Bruchteil einer Sekunde für ihn gehalten, fast hätte sie nach ihm gerufen – dabei sah er ganz anders aus. Und älter war er auch.
    Jetzt saß er auf dem Fenstersims des Erkers, wie sie gerade noch sehen konnte, wenn sie sich weit vorbeugte. Er hielt das Gesicht mit geschlossenen Augen in die Abendsonne und gab mit der rechten Hand den Takt an für die Musik, die aus den weit geöffneten Fenstern rauschte. Sie versuchte, das Objektiv schärfer einzustellen, den Mann näher heranzuholen. In diesem Moment sprang Felis auf ihren Schoß.
    Als sie Sekunden später die Kamera wieder gerade hielt, schien der Mann direkt in die Linse zu starren. Sie konnte seine Gesichtszüge nicht erkennen, doch die Bewegung, mit der er ihr den Rücken zudrehte, war unmißverständlich. Er verschwand im Inneren des Hauses. Die Musik wurde leiser. Fast schämte sie sich, daß sie ihn beobachtet hatte – nein: daß er sie erwischt hatte dabei.
    Kurz entschlossen ging sie ins Schlafzimmer, tauschte die Sandalen gegen Turnschuhe, schüttete Trockenfutter in Felis’ Napf, hängte sich den Rucksack mit der Kamera um und verließ das Haus.
    Der alte Crespin saß zu ihren Füßen, als sie das Tor aufmachte – auf dem Boden, den Rücken an die Mauer gelehnt, die Beine in den hellblauen Hosen von sich gestreckt. Er saß oft vor dem Tor. Viele alte Männer hatte sie schon an den Straßen und Gäßchen sitzen sehen, nicht auf einer Bank, nicht auf einem Stuhl, sondern auf dem Boden, die Baskenmütze in den Nacken geschoben, eine Zigarette im Mundwinkel.
    Er blickte zu ihr auf und legte zum Gruß zwei Finger an die Schläfe. Dann sah er den Rucksack. Er wiegte den Kopf. »Hat Ada ihren Rucksack dagelassen? Wie merkwürdig.«
    »Was ist daran merkwürdig?« Außerdem, dachte Alexa, hatte doch sicherlich Ernest Silbermann den Rucksack dagelassen, nicht Ada.
    »Sie nahm ihn immer mit, wenn sie spazierenging. Und an jenem Tag wollte sie angeblich ins Tal von Rochepierre.« Crespin runzelte die Stirn.
    »Und das hieße…?«
    Der alte Herr zuckte mit den Schultern. »Wer weiß. Vielleicht ist sie gar nicht spazierengegangen. Vielleicht wollte sie einmal nicht fotografieren.« Man sah ihm an, daß er das eigentlich für unmöglich hielt.
    Alexa fühlte sich auf verbotenem Terrain. Was um Himmels willen wollte sie mit der Lieblingskamera Ada Silbermanns, einer bekannten Fotografin?
    »Ich fotografiere Schornsteine«, sagte sie, als ob sie sich entschuldigen müßte.
    Der Alte verzog den schmalen Mund zu einem Lächeln und wiegte wieder den Kopf. »Ada hat sich mehr für Menschen interessiert. Manchmal zu sehr – vielleicht.« Er breitete die Hände aus und blinzelte in den Himmel. »Es wird noch heißer werden«, sagte er. »Wüstenwind.«
    Alexa zog das Tor ins Schloß und drehte den großen Schlüssel zweimal um.
    »So einen Sommer haben wir seit Jahren nicht gehabt. Ich erinnere mich nur an ein Jahr, in dem es ähnlich heiß war. Damals…« Der Alte senkte das Kinn auf die Brust und runzelte die Stirn.
    Alexa zögerte. Am liebsten hätte sie ihn ausgefragt. Nach Ada, nach dem Haus, nach der Geschichte der Menschen, die hier gelebt hatten…
    Sie faßte den

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