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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Alexa wünschte sich plötzlich fast sehnsüchtig, ihren eigenen Namen zu hören. Aber würde man ihre Spende akzeptieren – oder über »die reiche Deutsche« spotten, die glaubte, sich einkaufen zu können in die Dorfgemeinschaft?
    Sie kannte den Singsang mittlerweile auswendig. Heute würde es zum Höhepunkt kommen, zum Eselsreiten durch das ganze Dorf. Die Strecke war mit auf die Straßen und Gäßchen gemalten blauen Pfeilen markiert, sie reichte vom Unterdorf, wo sie ihr Haus hatte und wo die Kirche und das Relais des Roses standen, im älteren Teil des Dorfes also, bis zum Oberdorf, wo sich in den Jahren des kurzen Reichtums von Beaulieu die wohlhabenderen Leute ihre Villen hingestellt hatten. Dort wohnten noch heute der Notar und der Arzt und der Apotheker.
    Auf dem Place des Platanes vor der Auberge du Sud war das Aufmarschgebiet der Tiere und ihrer Reiter. Wenn sie sich an der Schmalseite der langgestreckten Terrasse über die Brüstung lehnte, sah sie das mit buntem Krepp geschmückte Podium für die Preisverleihung und den Stand mit dem improvisierten Wettbüro. Die Anfangs und die Schlußstrecke führte direkt unter ihrem Haus vorbei, das Spektakel konnte man von der Längsseite ihrer Terrasse aus beobachten. Sie sah zum Nachbarhaus hinüber. Lucien Crespin hatte schon in seinem Wintergarten Platz genommen, die Arme aufs Kissen auf der Brüstung gestützt, an der Seite ein Gläschen Pastis.
    »Lieben Sie Esel?« rief sie zu ihm hinüber.
    »Nein – weder die einen noch die anderen!«
    »Haben Sie wenigstens gewettet?« Alexa hatte vorhin gesetzt – auf ein Team aus Esel und Reiter, das zu Catherines Favoriten gehörte. Der Esel hieß »Schwarzer Teufel« und sein Reiter nannte sich »Bändiger der Bestie«.
    Lucien Crespin hob die Schultern und breitete die Hände aus. »Ich wette höchstens auf einen Überschuß in der Kasse des Festkomitees!«
    Auch Alexa setzte sich auf die Terrassenmauer und schaute hinunter. Allein rechts und links der schmalen Straße standen mehr Menschen als im ganzen Dorf wohnten. Catherine war da und winkte zu ihr hoch, die alte Madame Jollivet hatte ein kleines Mädchen an der Hand, vor der ehemaligen Polsterei standen drei großgewachsene blonde Menschen mit sonnenverbrannten Gesichtern, eindeutig Touristen, wahrscheinlich Deutsche. Plötzlich hielt sie die Luft an. Der Mann, der sich hinter der deutschen Familie wegzuducken schien…
    Alexa beugte sich weit über die Brüstung. Ihr Herz schlug schnell und hart. War er wiedergekommen? In diesem Moment wünschte sie sich das mehr als alles auf der Welt.
    Sie stieß die Luft, die sie unwillkürlich angehalten hatte, wieder aus. Unsinn, dachte sie. Du siehst Gespenster.
    Und dann kam der erste Esel um die Ecke getrottet, ein kleiner Grauer mit rosa Ohren, auf seinem Rücken ein lockiger Knabe im malerisch wallenden Hemd. Die Menge johlte. Der Knabe lächelte mild und gab seinem Reittier einen scharfen Schlag mit der Peitsche aufs Hinterteil. Das kam nicht gut an, der Esel keilte nach rechts aus und dann nach links und ließ sich durch nichts dazu bewegen, auch nach vorwärts Tempo zu machen.
    Er wurde überholt von einem braunen Tier, auf dessen Rücken Axel, der Jungmetzger, balancierte. Er grüßte huldvoll nach allen Seiten und wäre fast heruntergefallen, als sein Tier beschleunigte, den Hals ausgestreckt nach der Möhre, die ihm ein kleines Mädchen am Straßenrand hinhielt.
    Alexa griff zum Fotoapparat. Sie mußte sich weit hinauslehnen, um die Straße ins Blickfeld nehmen zu können. Für eine Charakterstudie der Eselsäpfel, die ein Mann mit Baskenmütze gerade beiseite fegte, war ihr Abstand ideal. Dennoch mochte sie das Teleobjektiv nicht abschrauben, aus lauter Angst, sie könnte etwas falsch machen dabei. Sie ließ die Kamera von der Straße aus wieder aufwärts gleiten, die steilen Wände der Nachbarshäuser hoch. Am Balkon des Mannes mit dem Faible für klassische Musik wurde das Bild wieder scharf.
    Auch er schien dem Treiben da unten zuzusehen. Sie holte ihn näher heran und stellte die Schärfe ein. Der Mann sah überhaupt nicht aus wie… Sie zog die Schärfe nach. Nein, es gab keine Ähnlichkeiten zwischen den beiden. Der Mann war viel älter. Er trug eine Brille und hatte dunkle Haare. Dann sah er auf, direkt in ihr Gesicht.
    Die Augen. Der Blick.
    In diesen paar Sekunden vergaß sie, daß sie durch einen Fotoapparat guckte, glaubte, jede Falte in seinem Gesicht zu sehen, jede Regung um den Mund, jedes

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