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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Zucken der Nase und jeden Ausdruck in den Augen. Sie sah, wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen und sein Gesicht sich langsam rötete. Dann drehte er sich um und ging ins Haus.
    Schon wollte sie sich wegdrehen, als er wieder auf die Veranda gestürzt kam, Gewehr im Arm. Er hob die Waffe hoch, legte an und zielte in ihre Richtung. Geistesgegenwärtig schlang sie die Arme um den Fotoapparat, als sie sich zu Boden fallen ließ.
    »Fotografier den Papst beim Pissen, aber nicht mich!« brüllte der Mann. Dann fiel der Schuß. Was für ein seltsamer Laut, dachte sie noch, dieses trockene Schmatzen.
    Das Kind träumte davon, lange Jahre. Von dem Bild, das es eigentlich gar nicht hatte sehen sollen. Aber hätte es überhaupt begriffen, was es zeigte, das Titelfoto der Illustrierten, die beim Zahnarzt lag? Erst als Mutter ihm die Zeitschrift mit einem Aufschrei aus der Hand riß, dämmerte es ihm. Es hätte das Bild nie mit Vater in Verbindung gebracht. Er sah so ganz anders aus, als das Kind ihn in Erinnerung hatte.
    Er trug keine Mütze und hatte die Augen geschlossen. Der Hemdkragen war offen, der Schlips fehlte und die Uniformjacke. Die Ärmel des weißen Hemdes mit den vier goldenen Litzen an der Schulterklappe waren hochgekrempelt – aber richtig weiß sah das Hemd auch nicht mehr aus. Er kniete, das war das eigenartigste. Er kniete im Türrahmen der geöffneten Vorderluke seines Flugzeugs, er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
    Das Kind hätte am liebsten jemanden gefragt, warum er kniete. Und wo seine Flugkapitänsmütze war.
    Links neben ihm stand ein Mann mit schwarzer Kapuze über dem Kopf. Durch die Sehschlitze konnte man seine Augen erkennen, der Mann schien in die Kamera zu schauen mit seinen kohleschwarzen Augen. Er hatte den rechten Arm abgewinkelt, in der Hand hielt er eine Pistole, er hielt die Pistole an Vaters Schläfe.
    In seinen Träumen hatte das Kind den Schuß gehört. Der Schuß, stellte es sich vor, brach los mit einem gewaltigen Donnern und rollte um den ganzen Erdkreis. Alle mußten es gehört haben, den lauten Knall, es mußte ihnen allen in den Ohren geklungen sein, als der Mann Hans Senger erschoß.
    Und seine Leiche mit einem Fußtritt aus dem Flugzeug stieß. Aber das hatte das Kind erst später erfahren.
    Das – und warum Hans Senger ein Held war. Er hatte sie alle gerettet, sagte man dem Kind, die 161 Passagiere, die Stewardessen und den Copiloten und den Flugingenieur. Er war unter dem Vorwand, er müsse das Flugzeug kontrollieren, hinausgegangen und hatte den draußen versteckten Rettern alles erzählt, was sie über die Kapuzenmänner wissen mußten: wie viele es waren, die das Flugzeug entführt hatten, und was sie für Waffen bei sich trugen. Und daß sie die jüdischen Passagiere aneinandergekettet und ihnen Sprengstoff an den Leib gebunden hatten.
    Aber warum ging er zurück, fragte das Kind. Er hätte doch sein Leben retten können! Warum ging er zurück zu den anderen, die eingepfercht in glühender Hitze auf den Tod warteten? Warum ging er zurück zu den Männern mit den schwarzen Kapuzen? »Das macht man mit Verrätern!« hatte deren Anführer geschrien, bevor er Vater erschoß.
    Das Kind träumte davon, Jahr um Jahr. Nicht von seinem Vater, der vor dem Henker kniete. Auch nicht von dem Mann mit der Kapuze, von dem man nur die Hände und die Augen sah.
    Es träumte von den Augen.
    Alexas Finger, die den Fotoapparat umklammert hielten, waren kalt und naß und zitterten. Auf der Straße unter ihr schien Panik auszubrechen, Kinder brüllten, Männer fluchten, Frauen schimpften und ein Esel schrie. Dann hörte sie ein verzweifeltes Flügelschlagen in der Luft. Sie sah auf. In diesem Moment stellte der Vogel das Flattern ein und stürzte hinunter.
    Sie rappelte sich auf und sah über die Brüstung. Die Menschen hatten nicht geschrien, weil geschossen worden war, sondern weil ein Esel im Haufen seines Vorgängers gestrauchelt war und seinen Reiter abgeworfen hatte, der nun das hinkende Tier am Zügel wegführte.
    Der Mann hatte auf die Taube gezielt, nicht auf sie. Als sie wieder langsamer atmete, fiel ihr auf, daß der Mann Deutsch gesprochen hatte. Sie faßte nach ihrem Ellenbogen, den sie sich beim Fallen gestoßen hatte. Als sie aufblickte, sah sie den alten Crespin herübergucken.
    »Was passiert?«
    Sie schüttelte schwach den Kopf.
    »Ich habe Kaffee gekocht«, sagte der Alte und sah sie fragend an. Sie brauchte eine Weile, bis sie begriff, daß das eine

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