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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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dunklen Flur.
    »Warum haben Sie auf mich geschossen?« Alexa hörte ihrer Stimme die unterdrückte Wut an. Persson schob sich an ihr vorbei, um die Tür zu einer großen, hellen Wohnküche aufzuhalten. Es roch nach kaltem Zigarettenrauch und Kaffee, eine Mischung, die ihr auf den Magen schlug.
    »Ach was, hab ich doch gar nicht«, sagte er.
    »Ich hab dich nur erschrecken wollen.«
    »Aber – warum?« Warum duzen Sie mich? hätte sie am liebsten gefragt.
    »Warum?« Er sah sie entgeistert an, gerade so, als ob er die Frage nicht verstanden hatte.
    »Was haben Sie gegen mich?«
    »Was ich gegen dich…« Er war noch immer ratlos. Dann ging ein Grinsen über sein Gesicht.
    »Natürlich habe ich nichts gegen dich.« Er streckte die Hand aus, so, als ob er ihren Arm tätscheln wollte. »Ich mag nicht fotografiert werden. Das ist alles. Setz dich.« Er schob ihr einen Stuhl hin. »Ich war schon froh, daß Madame Silbermann nicht mehr dauernd mit dem Telerüssel auf mich zeigte – und dann kamst du. Espresso?« Er zeigte auf eine hochmoderne Maschine auf der Arbeitsplatte neben dem Herd.
    Sie nickte. Irgendwann, nach irgendeiner der vielen Tassen dieses Gebräus, das man in diesem Lande ausschenkte, würde ihr Magen den langsamen Säuretod sterben. Was Persson servierte, roch wenigstens besser.
    Er bereitete zwei Tassen zu und setzte sich ihr gegenüber. »Ich kann’s nicht ändern: ich mag’s einfach nicht.«
    »Ich habe Sie nicht fotografiert.« Alexa blickte sich um, noch immer nicht versöhnt. Auf dem dunklen Tisch lagen Tabakkrümel neben einer Packung Zigarettentabak.
    »Nein?« Er zog die Augenbrauen hoch. »Tja dann…«
    Mit fast eleganten Bewegungen nahm er ein Zigarettenpapier aus dem Tabakpäckchen, legte Tabak darauf und drehte das Papier zwischen den Daumen und Zeigefingern, bis es Zigarettenähnlichkeit angenommen hatte. Dann leckte er das Papier an und drückte es zu. Er hielt ihr die Zigarette auf flacher Hand hin. Sie schüttelte den Kopf.
    »Was machst du überhaupt hier in diesem gottverlassenen Kaff?« Er entzündete ein Streichholz, hielt es an die Zigarette und tat einen tiefen Zug.
    »Und was machen Sie hier?« Er überhörte ihre Gegenfrage, runzelte die Stirn und sah einem Rauchkringel hinterher.
    »Ihr habt euch da ein Haus ausgesucht…« – jetzt zog er die Mundwinkel herab und wiegte das Haupt.
    »Was meinen Sie damit?« Alexa fragte sich, wieso sie sich eine Ähnlichkeit eingebildet hatte zwischen Persson und – ihm. Persson sah gut aus, für sein Alter. Aber…
    Er wackelte wieder mit dem Kopf.
    »Was ist mit dem Haus?« Sie wurde langsam ungeduldig.
    Er hob die rechte Hand und zählte mit der linken ab: »Zwei junge Männer, die in diesem Haus geboren wurden, sind im ersten Weltkrieg gefallen. Vor Verdun. Ein weiterer Bewohner dieses Hauses hat im zweiten großen Krieg mit den Deutschen kollaboriert und ist dafür von der Resistance exekutiert worden. Und schließlich wohnte in diesem Haus eine Wiener Jüdin, deren Eltern die Nazis aus Österreich verjagt haben, zusammen mit einem französischen Juden, dessen deutscher Vater das Glück hatte, von den Franzosen nicht an die Gestapo ausgeliefert worden zu sein…«
    Sie mochte das überlegene Lächeln nicht, mit dem er sie anzusehen schien.
    »Und jetzt… du. Das nennt man Deutsch-Französische Freundschaft, oder?«
    »Ich glaube nicht, daß das alles heute noch eine Rolle spielt«, hörte sie sich sagen und glaubte kein Wort. Sie hatte all das in der Aura des Hauses gespürt, von Anfang an.
    »Glaubst du wirklich, du kannst hier wohnen bleiben – einfach so?« Er hatte die Augen zusammengekniffen und zerdrückte die Zigarettenkippe mit übertriebener Sorgfalt im Aschenbecher.
    »Glaubst du wirklich, man mag das hier, daß du jetzt auch noch fotografieren willst, als ob du Ada Silbermann wärst?«
    Sie hatte befürchtet, daß man die Dinge so wahrnehmen würde im Dorf.
    »Sie sah, was andere nicht sahen…«
    Was hatte Ada Silbermann gesehen? Alexa dachte an den Film, der noch seit Adas Zeiten in der Kamera lag.
    Sie straffte sich plötzlich und sah dem Mann ins Gesicht. Er versuchte zu lächeln, aber sie glaubte unter seiner Maske aus Höflichkeit und Spott etwas anderes zu entdecken.
    Angst?
    »Mal gucken«, sagte sie und lächelte höflich zurück.

12
    Klein-Roda
    P aul Bremers Dorf war menschenleer und fast idyllisch ruhig. Nur Gottfrieds Zwergwyandottenhähne machten gurgelnde Geräusche, die man bei guter Laune auch als

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