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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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der Zahnbürste und der Hautcreme aus dem Bad und schloß die Wohnungstür hinter sich.
    Auf der Autobahn und bei Tachostand 213 hob sich ihre Laune.
    Vielleicht hilft es ja, über das Leben einfach mal nachzudenken statt durchzurauschen wie ein ICE, dachte sie.

11
    Beaulieu
    E in Schrei. Ein unmenschlicher, ein markerschütternder Schrei.
    Alexa spürte, wie sich die feinen Haare an ihren Armen aufstellten. Sie schwang sich aus dem Bett und lief auf nackten Füßen zum Fenster. Ein feister Mond erhellte die Nacht, das Geräusch der Zikaden schwoll hinauf, und unten vom Teich her hörte sie Frösche quarren. Sie lauschte in die Nacht. Ein Hund bellte in weiter Ferne. Kein Schrei.
    »Felis?« Die Katze war nicht da. Etwas Kaltes klumpte sich in ihrer Magengrube zusammen. Sie lief durch die Diele, dann durch den Kaminraum und die Küche hinaus zur Veranda. »Felis?« Sie lauschte wieder. Nichts rührte sich.
    Der nächste Schrei traf sie wie ein Schlag. Jemand schrie in höchsten Tönen, dann vergurgelte der Schrei in einem tiefen Knurren, dann war es wieder still. Alexa hielt sich die Hand vor den Mund. Sie stand wie gelähmt und merkte erst gar nicht, wie kalt ihre Füße geworden waren auf den Steinfliesen. Das schreckliche Geräusch war vom Eingang her gekommen. Sie lief die Treppenstufen hinunter. Kurz zögerte sie. Sollte sie wirklich das Tor öffnen mitten in der Nacht?
    Dann schob sie den Riegel zurück und ließ die schwere graue Tür zurückschwingen. Was sie sah, nahm ihr die Luft.
    Am Tor hing der blutige Körper der Katze, das Maul mit den zurückgezogenen Lefzen so weit aufgerissen, daß man den rosa Rachen und die kleinen weißen Zähne sah. Über die offenen Augen hatte sich ein stumpfer Film geschoben, von den Pfoten tropfte Blut. Jemand hatte ihr durch jedes der Samtpfötchen einen dicken Nagel getrieben – und noch einen extra durch den einst so prächtigen Schweif. Alexa hatte das Gefühl, als ob ihr Herz aussetzte, als das Tier sich aufzubäumen schien, ein letztes Mal.
    Dann sah sie es. Über dem gekreuzigten Tier hing ein Zettel, auf dem offenbar mit dem Blut der Katze geschrieben stand: »Nimm dich in acht, sonst…«
    Auf Deutsch. Nicht auf Französisch.
    Wieder hörte sie es schreien, aus weiter Ferne diesmal. Als sie hochfuhr im Bett, merkte sie, daß sie naß war vor Schweiß. Und dann erkannte sie im weichen Morgenlicht Felis, die sich zu ihren Füßen aufsetzte, einen Buckel machte und gähnte. Nach einer Weile stieg die Katze behutsam über die Bettdecke, schmiegte sich in Alexas Armbeuge und begann zu schnurren.
    Noch nie hatte sie so intensiv geträumt. Sie erinnerte sich an keinen vergleichbaren Albtraum. Die Turmuhr schlug fünfmal. Alexa horchte auf ihr pochendes Herz. Sie war mit einem Schlag so wach, daß es weh tat. Tief Luft holen, redete sie sich zu. Langsam ausatmen. Entspannen. Nach einer Weile setzte sie sich auf, stopfte sich das Kopfkissen hinter den Rücken, schaute aus dem Fenster und sah zu, wie goldene Röte sich über das Morgengrau schob, bis der Horizont leuchtete. Als ein erster gelber Sonnenstrahl das Rot am Himmel wieder erblassen ließ, bettete sie die schlafende Katze ans Fußende, stand auf und ging ins Bad.
    Ich muß mich von diesem Albtraum befreien, dachte sie, als sie im Spiegel die Schatten unter ihren Augen sah. »Schauen Sie hin!« hatte der Therapeut gesagt, dem sie gut zwei Jahre lang von ihren quälenden Ängsten und Schreckensvisionen erzählte. »Gehen Sie der Angst auf den Grund! Konfrontieren Sie sich!«
    Prima Ratschlag. Tolle Idee.
    Du mußt etwas tun, Alexa. Du kannst dich der Realität nicht immer entziehen, Alexa. Fang an zu leben, Alexa. Ben hatte in die gleiche Kerbe gehauen. Es war das einzige Mal, daß sie sich gestritten hatten. Es war schrecklich, sich mit ihm zu streiten.
    Sie zog sich an und machte sich einen Milchkaffee. Auf der Terrasse balgten sich die Spatzen. Sie sah ihnen eine Weile zu. Dann verließ sie das Haus.
    Vor seiner Wohnung, dem schmalen Haus mit dem Erker, zögerte sie wieder. Weder an der Haustür noch neben dem Klingelknopf stand ein Name. Sie drückte auf den Knopf und wartete.
    Als er endlich die Tür öffnete, war Philipp Persson keine Überraschung über ihren Besuch anzusehen. Er breitete die Arme aus, lächelte mit bubenhafter Verlegenheit und sagte: »Es tut mir leid, wirklich. Es war nicht so gemeint.«
    Alexa war sprachlos.
    »Ich meine es ernst. Es tut mir echt leid.« Er ließ sie vorangehen durch den

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