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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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stelle sich das vor: Bernard bringt einen international gesuchten Terroristen mit in den Judoclub! Was sagt man dazu?«
    »Aber was kann Bernard…«
    »Der Mann war sein Freund! Ich meine: wen das nicht an der Menschheit verzweifeln läßt…« Marc Dutoit von der Auberge du Sud guckte tieftraurig.
    Einige murmelten Zustimmung.
    »Interessanter ist doch wohl die Frage, wer ihn umgebracht hat.«
    »Boisset schließt Selbstmord nicht mehr aus«, sagte Axel und lächelte noch ein bißchen bescheidener.
    »Und warum?« Der alte Crespin war plötzlich hellwach.
    »Vielleicht hat er deine kleine Freundin auf dem Gewissen.« Der hämische Ton, den Marius anschlug, entging niemandem.
    »Unmöglich«, hörte Bremer sich sagen. »Ich habe Alexa Senger kurz vor dem Gewitter noch gesehen – und nicht viel später war er tot. Wo soll er sie denn versteckt haben in so kurzer Zeit, wenn er ihr was angetan hat?«
    Alle sahen ihn erstaunt an. Fast wäre Bremer errötet. Man hielt sich als Fremder besser heraus aus den Angelegenheiten anderer.
    »Aber die Katze«, sagte Crespin übergangslos.
    »Sie hätte niemals die Katze allein gelassen. Ich höre sie schon die ganze Zeit jammern.«
    Einige guckten verständnislos, andere mitleidig.
    Nicht jeder hier nahm Haustiere wichtig.
    »Und jetzt wissen wir auch, warum er sich immer aufgeregt hat, wenn Ada mit dem Fotoapparat kam. Warum er partout nicht fotografiert werden wollte.« M. Durand blickte so finster, wie es sein gutmütiges Gesicht erlaubte. »Und warum Ada sterben mußte.«
    »Genau!«
    »Du meinst, er hätte Ada…«
    Wieder redeten alle auf einmal.
    »Dann hätte der Lump jetzt wenigstens seine gerechte Strafe bekommen«, sagte Marius.
    Um ihn herum nickten die Köpfe. Marius war nicht der einzige, der viel von höherer Gerechtigkeit hielt.
    Bremer gab sich Mühe, nicht zu grinsen. Das war natürlich die perfekte Lösung: Philipp Persson alias Martin Schmid hatte Ada Silbermann umgebracht, weil sie ihm auf die Schliche gekommen war, und als Adas Leiche gefunden wurde, beging ihr Mörder aus Angst vor der Entdeckung Selbstmord. Im Dorf hatte sich niemand mehr unbequemen Fragen zu stellen. Das Böse machten die Fremden untereinander aus. Diese Erklärung schlug mehrere Fliegen mit einer Klappe und ließ nur eine Frage offen: Wo war Alexa Senger?
    Crespin packte ihn am Unterarm. »Sehen Sie dort: Ernest Silbermann!«
    Der Witwer fiel auf unter den Leuten vom Dorf. Der schwarze Anzug saß makellos, das Gesicht unter dem schwarzen Hut war nicht zu erkennen. Der Mann hielt sich abseits. Die anderen schienen zu spüren, daß ihr ehemaliger Nachbar allein sein wollte, niemand begrüßte ihn oder kondolierte.
    Als Crespin Anstalten machte, Paul mit in die Kirche zu ziehen, winkte er ab. Ihm war nicht nach Weihrauch und Gesängen. Statt dessen ging er die Hauptstraße hinunter, aus dem Dorf hinaus, abwärts ins Tal, der Hügelkette am Horizont entgegen.
    Beim Anblick eines Trupps älterer Herren, die mit aufgepumpten Waden zum Dorf hochradelten, spürte er eine heftige Sehnsucht nach seinem Rennrad. Hier durch die Gegend fahren, hoch auf die Pässe und dann lange Abfahrten hinunter, vor diesem Himmel, diesen Bergen, diesen Farben…
    Als ob sich jemand über seine Träume lustig machen wollte, führte die Straße nach einer Kurve auf einen einsamen Hof zu, an dessen Mauern sie lehnten, in jeder Farbe, Größe und Altersgruppe: Fahrräder, klein, groß, gelb, blau, rot oder silbern. Die meisten offenbar Veteranen weit vor der Zeit, als Tom Simpson bei der Tour de France kurz vor dem Mont Ventoux tot vom Rad fiel. Ein Peugeot-Damenrad. Ein Gitane für Kinder. Ein grünes Helium, ein weißes Manufranck, ein metallblaues Pinarello. Sorgfältig wieder hergerichtet, jedes mit einem handgemalten Preisschild versehen. Eine Mobylette, ein Motobecane.
    Und ganz vorne, wenn ihn nicht alles täuschte… Aber das konnte nicht sein. Das lindgrüne Rennrad sah haargenau so aus wie das Folgorissima von Bianchi, das man in »Paris Roubaix« umbenannte, nachdem Fausto Coppi die Tour 1949 gewonnen hatte.
    Paul Bremer setzte sich auf die Mauer gegenüber am Straßenrand, sah dem Mann zu, der das Hinterrad eines Kinderfahrrads aufpumpte, und ließ dann den Blick nach oben gleiten, zu den beiden Kondensstreifen am Himmel, die immer breiter und durchscheinender wurden, bis sie sich ins Blaue auflösten. Vor seinem inneren Auge trug Eddie Merckx das gelbe Trikot über den Col de la Madeleine. Für einen

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