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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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kennen glaubte, ins Relais des Roses und bestellte bei der Wirtin, die sich ihm vertraulich als Catherine vorstellte, das teuerste Menü auf der Speisekarte.
    Vor dem Nachtisch, als nur noch zwei Tische besetzt waren, setzte sie sich zu ihm und horchte ihn aus. Er erzählte alles, was er am »Tatort« gesehen hatte, und noch ein paar Kleinigkeiten mehr. Daß das Handtuch naß gewesen sei, das auf dem Stuhl hing, hob er besonders hervor.
    »Und Sie meinen, er ist noch vor dem Beginn des Gewitters umgebracht worden…« Catherine schien davon auszugehen, daß man Philipp Persson (Martin Schmid, korrigierte er sich) ermordet hatte. »Aber wieso war dann das Handtuch naß?« Er hob die Schultern. »Es kann auch Selbstmord gewesen sein.« Sie guckte ungläubig.
    Und dann fiel ihm etwas ein, an das er noch nicht gedacht hatte. Etwas, das der Selbstmordhypothese widersprach. »Aber wissen Sie was, Catherine: Er war dabei, seinen Koffer zu pakken.«
    Catherine brachte dem Pärchen am Nachbartisch die Rechnung, dem einsamen Mann am Fenster einen Digestif und kam an Bremers Tisch zurück mit einer Flasche und zwei Gläsern. Der Wein war vorzüglich, ein Syrah aus dem Languedoc. Als die letzten Gäste gegangen waren, öffnete sie die zweite Flasche.
    Ab da wurden ihre Hypothesen zum Tod des Philipp Persson immer gewagter. An eine besonders absurde erinnerte er sich noch, sie hatte irgend etwas zu tun mit einer Frau aus Perssons Vergangenheit, der er einmal unrecht getan hatte – Lore-Roman, hatte er noch gedacht –, dann riß der Faden. Er mußte ziemlich betrunken vor dem Hotel angelangt sein, wo er feststellte, daß er den Hausschlüssel vergessen hatte. Die alte Madame lächelte zahnlos, tätschelte ihm die Schulter und sagte augenzwinkernd »Männer!«, als er sie nach drei Minuten Dauergebimmel endlich herausgeklingelt hatte.
    Am Sonntagmorgen weckten ihn die Kirchenglocken. Karen saß noch nicht am Frühstückstisch, wohl aber die Frau, die sie für Dorothea v. Plato hielt. Bremer grüßte hinüber.
    Auf dem Weg ins Café begegnete er einer Prozession von Menschen, die meisten trugen Schwarz, einigen Männern sah man an, daß der Anzug vor vielen Jahren fürs ganze Leben angeschafft worden war. Am Aufgang zur Kirche, bei der Bank unter der Linde, stand ein Pult, bedeckt mit einem schwarzen Tuch, auf das ein weißes Kreuz und ein Olivenzweig eingestickt waren. Auf dem Pult lag ein aufgeklapptes Buch. Einige der Trauergäste schrieben etwas hinein.
    Der Priester stand am Kirchenportal und begrüßte jeden einzeln. Bremer erkannte ihn wieder: Es war der ungepflegte Mann aus dem Café mit den Notizbüchern, dem alten und dem neuen. In seiner Soutane sah er erstaunlich würdig aus. »Sonntag, 11 Uhr«, hatte er vorgestern im Café verkündet – also war das hier die Totenmesse für Ada Silbermann.
    Alle redeten aufeinander ein während der langsamen Prozession zur Kirche. Erst als es erneut läutete, erstarben die Gespräche eins nach dem anderen.
    Bremer glaubte, solche Töne noch nie gehört zu haben: zwei Glockentöne, die vom Kirchturm herabschwebten wie fallende Rosenblätter. Der eine Ton stand dünn und zitternd in der Luft, bis der andere, ein wenig tiefer, ihn ablöste. Fast quälend lange zögerte der erste Ton, bis er wieder anklang und auf den zweiten wartete. Es mußten die Totenglocken sein, die jemand mit Gefühl, ja mit Liebe anschlug. Jemand läutete Ada Silbermann heim.
    Als der letzte Ton verklungen war, redeten alle ungerührt weiter. Der alte Crespin winkte zu ihm hinüber. Bremer schloß sich dem Zug an, in dem man weniger zu trauern denn mit Hingabe zu klatschen schien. Ada Silbermann war nicht das Thema. Doch wer gestern noch Nettigkeiten über Philipp Persson gesagt hatte, dem fiel heute zu Martin Schmid nur Häßliches ein.
    »Ich hab immer gewußt, daß mit ihm was nicht stimmt. Er ging ja kaum noch aus dem Haus.«
    »Da kenn ich noch einige andere, mein Lieber, die schon seit Jahren mal gründlich gelüftet gehören.« Maître André sah spöttisch auf den alten Rogier herab.
    »Und woher kam das Geld, das Madame Dementier ihm Monat für Monat brachte?« fragte Monsieur Durand vom Maison de la Presse.
    »Bernard Boisset ist fuchsteufelswild.« Diese Bemerkung lenkte alle Aufmerksamkeit auf den jungen Metzger, der ein bescheidenes Lächeln aufgesetzt hatte. »Seine Tochter hat es mir erzählt.«
    »Na dann muß das ja wohl stimmen«, sagte die Bäckersfrau spöttisch.
    »Also wundert euch das? Man

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