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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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General hatte nicht unrecht. Bis auf sechs Monate hatten wir zehn Jahre lang Ruhe. Anschließend war alles verloren. Alles. Für sie und für uns. Dort und hier.
    Ich rede wieder über Frankreich, während ich durch die Stadt gehe. Das wäre lächerlich, wenn Frankreich nicht eine Art wäre, wie man spricht. Frankreich ist der Raum, in dem die französische Sprache gesprochen wird. Die Sprache ist die Natur, in der wir aufwachsen; sie ist das Blut, das wir weitergeben und das uns nährt. Wir baden in der Sprache, und jemand hat in unser Bad geschissen. Aus Angst, einen dieser verbalen Kothaufen zu verschlucken, wagen wir nicht mehr, den Mund aufzumachen. Wir verstummen. Wir leben nicht mehr. Die Sprache ist eine reine Bewegung, wie das Blut. Wenn die Sprache innehält, gerinnt sie wie Blut. Sie wird zu kleinen schwarzen Blutgerinnseln, die sich in der Kehle festsetzen. An denen wir ersticken. Wir verstummen, leben nicht mehr. Wir träumen davon, die englische Sprache zu benutzen, die uns nichts angeht.
    Wir sterben an Verschleimung, wir sterben an Verstopfung, wir sterben an der lärmenden Stille, die ganz von gurgelnden Lauten und unterdrückter Wut erfüllt ist. Das zu dicke Blut rührt sich nicht mehr. Diese Art zu sterben, das ist Frankreich.

ROMAN III
    Das rechtzeitige Eintreffen des motorisierten Zuavenregiments
    D as motorisierte Zuavenregiment traf gerade noch rechtzeitig ein. Viel länger hätte es nicht dauern dürfen. Die Maschinengewehre hatten die Grenzen ihrer Wirksamkeit erreicht: Die mit der französischen Waffe abgeschossenen Kugeln prallten wie Haselnüsse von den Stahlplatten der Tiger-Panzer ab. Elf Zentimeter dicker Stahl waren undurchdringlich für alles, was ein Mann mit einer Handfeuerwaffe abschießen konnte. Sie hätten eine List anwenden müssen und quer über die Straße verlaufende Elefantengräben ausheben und deren Böden mit Eisenpfählen spicken müssen; oder mehrere Tage lang die Nachschubkolonnen, die dem Gegner Treibstoff brachten, in Brand setzen und warten müssen, bis die Motoren mit einem letzten Ruck verstummten.
    Victorien Salagnon lag auf den Terrakottafliesen einer mit Schutt überhäuften Küche vor einem Loch in der Wand, hinter dem er Wiesen sah, und träumte von unzusammenhängenden Dingen. Die viereckigen Drehtürme der Tiger-Panzer glitten zwischen den Hecken entlang und überrollten diese mühelos. Die langen Kanonen, die in einer zwiebelförmigen Verdickung endeten – er wusste nicht, wozu sie dienten –, drehten sich wie die Schnauze eines suchenden Hundes und feuerten. Beim Einschlag zog er den Kopf ein und hörte das Geräusch einer einfallenden Mauer, eines einbrechenden Daches oder das Knarren des Gebälks eines einstürzenden Hauses, und er wusste nicht, ob einer der jungen Leute, die er kannte, darin Zuflucht gesucht hatte.
    Es war höchste Zeit, dass das aufhörte. Die motorisierten Zuaven kamen gerade rechtzeitig.
    Die einstürzenden Häuser wirbelten dichten Staub auf, der sich erst nach langer Weile legte, und die Dieselmotoren der heranrückenden Panzer hinterließen schwarze Abgaswolken. Salagnon hockte sich noch dichter hinter den dicken Türpfosten, den einzigen verlässlichen Teil der aufgerissenen Mauer, deren kleine abgeplatzte Stücke den Boden übersäten oder lose von ihr herabhingen. Mechanisch schob er den Schutt rings um sich herum zur Seite. Er legte die Terrakottafliesen frei und sammelte die Scherben der von einer Anrichte herabgefallenen Teller ein. Die Verzierung mit blauen Blumen hätte ihm ermöglicht, sie wieder zusammenzukleben. Der Einschlag hatte die Küche verwüstet. Er suchte mit den Augen nach ineinanderpassenden Scherben. Er beschäftigte sich, um nicht den Blick auf die mit weißem Schutt bedeckten Gestalten hinter ihm wenden zu müssen. Die Körper lagen in allen möglichen Stellungen zwischen den Trümmern eines Tisches und umgestürzten Stühlen. Ein alter Mann hatte seine Schirmmütze verloren, eine Frau verschwand halb unter der zerrissenen, halb verbrannten Tischdecke, zwei Mädchen von gleicher Größe lagen nebeneinander, zwei kleine Mädchen, deren Alter er nicht zu schätzen wagte. Wie lange dauerte ein Einschlag? Er war im Nu da, in kürzester Zeit stürzte alles ein, auch wenn es in Zeitlupe zu geschehen schien; länger nicht.
    Er umklammerte fest seine Sten Gun, deren Patronen er schon mehrmals gezählt hatte. Er überwachte die Drehtürme der sich auf den Wiesen dem Dorf nähernden Tiger-Panzer. Länger

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