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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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zu markieren. Aber erst dann, wenn wir alle tot sind!«
    Das tat ihnen gut.
    Sie marschierten in einer Kolonne über schmale Waldwege in die Ebene hinunter, neugeborene Erwachsene, die noch nicht mit militärischer Gewalt konfrontiert worden, aber von dem Willen zu kämpfen beseelt waren, der auf alle Glieder einwirkt wie unter Druck stehender Dampf. Es regnete am Nachmittag, ein schöner Sommerregen mit dicken Tropfen. Er erfrischte sie, ohne sie nass zu machen, denn die Tropfen wurden sogleich von den Bäumen, dem Farnkraut und dem Gras aufgesogen. Dieser angenehme Regen umgab sie mit dem Moschusduft der Erde, dem Geruch von Harz und Feuerholz, wie ein spürbarer Nimbus, als wolle man sie beweihräuchern, als wolle man sie dazu drängen, in den Krieg zu ziehen.
    Salagnon trug das Maschinengewehr quer über der Schulter, und Roseval ging hinter ihm mit den Magazinen in einer Umhängetasche. Brioude ging an der Spitze, seine zwanzig Männer hinter ihm atmeten tief durch. Als sie den Wald verließen, riss die Wolkendecke auf und ließ den blauen Grund der Welt sehen. Sie versteckten sich in einer Reihe im Farnkraut über einer Straße. Dicke Tropfen perlten auf die Farnwedel, fielen ihnen in den Nacken und rannen ihnen den Rücken hinunter, aber das trockene Laub unter ihrem Bauch hielt sie warm.
    Als der graue Kübelwagen, gefolgt von zwei Lastwagen, in einer Kurve auftauchte, eröffneten sie sofort das Feuer. Salagnon leerte mit angewinkeltem Zeigefinger das Magazin der Waffe und legte dann ein neues ein, das dauerte ein paar Sekunden, anschließend schoss er weiter, wobei er die Schusslinie nur wenig änderte. Der neben ihm liegende Ladeschütze hatte eine Hand auf seiner Schulter liegen und hielt ihm mit der andern schon ein weiteres volles Magazin hin. Salagnon schoss, und das rief großen Lärm hervor, die an ihn gepresste Waffe wurde hin und her geschüttelt und immer heißer, und irgendetwas in der Ferne, genau in der Achse der Blickrichtung, zersplitterte, wand sich unter der Einwirkung unsichtbarer Schläge, fiel in sich zusammen wie von innen angesaugt. Salagnon empfand eine außerordentliche Freude beim Schießen, sein Wille drückte sich in seinem Blick aus, und ohne direkten Kontakt wurden der Kübelwagen und die Lastwagen wie mit einer Axt zertrümmert. Die Fahrzeuge schienen sich zu winden, die Bleche verzogen sich, die Scheiben zerbarsten in einer Wolke von Splittern, Flammen züngelten empor; ein simpler Bauchimpuls, von einem Blick gelenkt, bewirkte all das.
    Nachdem sie das Feuer eingestellt hatten, war kein Laut mehr zu hören. Der zerstörte Wagen lag halb im Straßengraben, ein Lastwagen stand auf der Straße mit zerschossenen Reifen und der andere hatte einen Baum gerammt und brannte aus. Die Maquisarden glitten von Busch zu Busch und gingen dann auf die Straße. Nichts rührte sich mehr, bis auf die Flammen und eine ganz langsam aufsteigende Rauchsäule. Die von Kugeln durchsiebten Fahrer waren tot, sie klammerten sich in unbequemen Haltungen an das Steuer, einer von ihnen verbrannte mit grässlichem Gestank. Unter den Planen der Lastwagen entdeckten sie Postsäcke, Kisten mit Nahrungsrationen, und riesige Packen mit grauem Toilettenpapier. Sie ließen alles zurück. In dem Kübelwagen befanden sich zwei uniformierte Männer, der eine um die Fünfzig, der andere höchstens zwanzig; sie hatten beide den Kopf mit offenem Mund und geschlossenen Augen nach hinten sinken lassen, ihr Nacken ruhte auf der Rückenlehne. Sie hätten Vater und Sohn sein können, die in einem am Straßenrand parkenden Wagen einen Mittagsschlaf hielten. »Sie haben nicht gerade die besten Truppen hierher geschickt«, brummte Brioude, über sie gebeugt. »Nur alte oder ganz junge Leute.« Salagnon murmelte ein paar zustimmende Worte, um seine Verwirrung nicht zu zeigen, untersuchte er die Toten und tat, als suche er etwas vor ihren Füßen, was, das wusste er auch nicht genau, aber irgendetwas Wichtiges. Der junge Mann war nur von einer Kugel in die Seite getroffen worden, die ein kleines rotes Loch hinterlassen hatte, und sah aus, als schliefe er. Erstaunlich dagegen war, dass der Brustkorb des Mannes im reifen Alter, der am Steuer saß, völlig durchsiebt war; sein Waffenrock sah aus, als sei er mit den Zähnen vom Körper gerissen worden, und darunter war stark zerfetztes, rötliches Fleisch zu sehen, aus dem eine Reihe paralleler weißer Knochen ragte. Salagnon versuchte sich zu erinnern, ob er sich beim Zielen auf die

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