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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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sprangen in die Hecken und fielen den Franzosen in die Hände, die sich seit dem Vorabend dort versteckt hatten. Die ersten Deutschen wurden in dem Durcheinander getötet, die anderen mussten sich in einer Reihe mit im Nacken verschränkten Händen auf den Bauch legen. Der Zug brannte, grau gekleidete Leichen übersäten die Böschung der Bahnlinie. Die Flugzeuge wackelten noch einmal mit den Flügeln und flogen fort. Eine Kolonne deutscher Gefangener wurde ins Lager gebracht, sie marschierten bereitwillig, ja entspannt, die Jacke über die Schulter und die Hände in den Taschen, glücklich darüber, dass sie überlebt hatten und der Krieg für sie zu Ende war.
    Der Colonel suchte Naegelin auf.
    »Das sind die Soldaten, die das Blutbad in Porquigny angerichtet haben. Frauen, Kinder, Greise. Achtundzwanzig Leichen auf der Straße, siebenundvierzig in den Häusern, kaltblütig erschossen, manche mit gefesselten Händen.«
    »Und?«
    »Die erschießen wir.«
    »Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?«
    »Dann stellen wir sie vor Gericht und erschießen sie anschließend.«
    »Und wer soll das Urteil sprechen? Sie? Das wäre ein Racheakt, ein weiteres Verbrechen. Wir? Wir sind Soldaten, das ist nicht unser Beruf. Zivilrichter? Noch bis vor zwei Monaten haben sie im Auftrag der Deutschen Résistance-Kämpfer verurteilt. Auch wenn das Gesetz theoretisch unparteiisch ist, aber das geht zu weit. Es gibt im Moment in Frankreich niemanden, der ein Urteil über sie sprechen könnte.«
    »Dann wollen Sie also nichts unternehmen?«
    »Ich werde sie den Amerikanern übergeben und die darauf aufmerksam machen, dass sie für ein Blutbad an der Zivilbevölkerung verantwortlich sind. Die können dann eine Entscheidung treffen. Das ist alles, ›Colonel‹.«
    Die deutlich ausgesprochenen Anführungszeichen vertrieben den Colonel ebenso sicher wie eine kleine Handbewegung.
    Die gefangenen Deutschen wurden auf eine Kuhweide gebracht. Mit Stacheldrahtrollen wurde ein Viereck aus Gras abgeteilt, das man ihnen zuwies. Ohne Waffen und Stahlhelm, über die Weide verteilt, und ohne die Organisation, die sie zu einem gemeinsamen Einsatz brachte, wirkten sie nicht anders als das, was sie waren: erschöpfte Typen unterschiedlichen Alters, deren Gesichter von der mehrjährigen Anspannung, der Angst und der Nähe des Todes gezeichnet waren. Sie lagen nun in Gruppen unterschiedlicher Größe im Gras, den Kopf auf dem angewinkelten Arm oder auf dem Bauch eines anderen ruhend, ohne Koppel und Mütze und mit aufgeknöpftem Waffenrock, ließen sie sich mit geschlossenen Augen von der Sonne bräunen. Andere standen mit einer Hand in der Tasche in kleinen Gruppen vor den Stacheldrahtrollen und rauchten wortlos, rührten sich kaum und warfen einen zerstreuten Blick in die Richtung, wo die französischen Wachposten mit geschultertem Gewehr standen und sich zwangen, eine straffe Haltung einzunehmen. Aber die Wärter, die sich bemüht hatten, ihnen vernichtende Blicke zuzuwerfen, wussten nicht mehr, wohin mit den Augen. Die leicht belustigten Deutschen blickten sie an, ohne sie wirklich zu sehen, sie schienen in ihrem Pferch auf der Wiese in bedächtiges Grübeln versunken zu sein, und die Wachsoldaten blickten den Gefangenen schließlich auf die Füße, und das erschien ihnen absurd.
    Die Maquisarden, denen man inzwischen amerikanische Uniformen gegeben hatte, kamen und sahen sich diese locker gekleideten, sich sonnenden Soldaten an. Die Deutschen kniffen die Augen zusammen und warteten. Ein Offizier, der etwas abseits stand, fiel Salagnon wegen seiner hochmütigen Eleganz auf. Seine Uniform mit der aufgeknöpften Jacke stand ihm wie ein Sommeranzug. Er rauchte gleichgültig, während er auf das Ende dieses Kriegsspiels wartete. Er hatte Pech gehabt und hatte verloren. Salagnon fühlte sich von diesem Gesicht auf seltsame Weise angezogen. Zumindest hielt er es für Anziehung und wagte nicht ihn fest anzublicken; doch dann begriff er, dass ihm dieses Gesicht vertraut war. Er stellte sich vor ihn hin. Der Offizier, der beide Hände in der Tasche stecken hatte, rauchte weiter und kniff nur die Augen wegen der Sonne und des Rauchs der zwischen seinen Lippen steckenden Zigarette ein wenig zusammen. Sie standen sich auf derselben Weide gegenüber, die zwei Meter, die sie voneinander trennten, waren unüberwindbar, weil dort eine Rolle Stacheldraht mit messerscharfen Klingen lag, aber sie waren nicht weiter voneinander entfernt, als wenn sie am selben Tisch

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