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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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richtige Wort, obwohl es nicht den Anschein hat, das Wort in seinem ältesten Sinn, mit großer Vornehmheit streichelte sie sein Geschlechtsteil, bis er seinen Samen ergoss. Victorien lag auf dem Rücken und sah, wie sich die Sterne bewegten, und plötzlich verlöschten sie alle, und nach einer Weile sah er sie wieder. Euridice schmiegte sich an ihn, küsste ihn auf den Hals, hinter die Ohren, genau dort wo die Schlagader verläuft, und nach und nach ließ das Trommeln in seinen Ohren nach. Aus nördlicher Richtung drang noch immer, wie ein Echo, ein ununterbrochenes Dröhnen zu ihnen herüber, das sie nicht näher bestimmen konnten; das stetige Dröhnen drang in Wellen an ihr Ohr, ohne je ganz zu verstummen, und ein rötlicher Schein tauchte im Gegenrhythmus am Horizont auf, und ab und zu gelbe Blitze, die sogleich wieder verlöschten.
    Es war das erste Mal, dass jemand sich um sein Geschlechtsteil kümmerte. Das verwirrte ihn so sehr, dass er an nichts anderes mehr dachte. Als Euridice sich an ihn schmiegte, sah er, wie sich die Zeit mit einem Schlag vor ihm öffnete; er wusste, dass diese junge Frau immer an diesem Platz sein würde, selbst wenn sie sich nie wiedersehen sollten.
    Er fragte sich, ob er das Versprechen, das er Roseval gegeben hatte, gehalten hatte. Der Gedanke kam ihm noch auf dem Weg zurück ins Lager, während er Euridice an der Hand hielt. Er errötete dabei in der lauen Nacht, was jedoch niemand außer ihm bemerkte. Aber er stellte sich diese Frage. Er drückte Euridice an den Schultern ganz fest an sich und kam zu dem Schluss, er habe das Versprechen gehalten. Wenn auch vielleicht nicht ganz. Trotzdem hätte er sich gewünscht, die Situation könne immer so bleiben. Denn auf diese Weise entging er der Bitterkeit des unbefriedigten Begehrens wie auch der Enttäuschung des Vollzugs. Die Aufgaben, die der Krieg für ihn bereithielt, erlaubten ihm, in diesem wunderbaren Zustand zu bleiben, der normalerweise nicht anhält. Es gab an jedem Tag zahlreiche Verwundete; sie mussten in immer weiterer Ferne aufgelesen und mit dem Lastwagen ins Feldlazarett gebracht werden; er wurde zu eiligen Aufgaben herangezogen, die ihn von Euridice fernhielten. Jedes Mal, wenn er wegfuhr, steckte er ihr ein paar Worte, eine Zeichnung, eine liebevolle Notiz zu; und wenn er ganz eilig aufbrechen und zum Lastwagen rennen musste, zeichnete er mit einem einzigen Pinselstrich ein Herz, einen Baum, die Silhouette einer Hüfte, geöffnete Lippen oder die Rundung einer Schulter auf Packpapier; und diese nur leicht angedeuteten, unvollständigen Zeichnungen, die er ihr im Vorüberrennen gab, noch ehe sie richtig trocken waren, liebte sie noch mehr als die anderen.
    Ein gepanzertes Fahrzeug wirkt beeindruckend, ist in Wirklichkeit aber ein Eisengrab. Der Panzerzug? Er ist empfindlich wie Porzellan; er hält nicht einmal kleineren Sabotageakten stand. Zwei Männer in Leinenschuhen, die an den Schienen entlanggehen und Sprengkörper von der Größe eines Stücks Seife im Rucksack haben, können ihn zum Stehen bringen, ohne sich ihm nähern zu müssen. In wenigen Minuten sprengen sie die Bahnlinie. Und zwei Männer nur deshalb, damit die Arbeit angenehmer ist und sie dabei plaudern können, sonst würde einer reichen.
    Der Panzerzug aus dem Saône-Tal kam nicht weiter als Chalon. Die in der Nacht gesprengte Bahnlinie brachte den Zug mit kreischenden Bremsen, unerträglichem Knirschen von aneinander reibendem Metall und starkem Funkenregen zum Stehen. Die durch die Explosion verbogenen Schienen ragten in die Luft wie die Stoßzähne eines fossilen Elefanten, und die zersplitterten Schwellen waren rings um den in den Schotter gerissenen Krater verstreut. Vier amerikanische Flugzeuge bombardierten in zwei Angriffen die Lokomotive und die beiden flachen Wagen, einen vorn und einen hinten, auf denen mehrere von Sandsäcken geschützte Flaks sie unter Beschuss zu nehmen versuchten. Alles verschwand in einer plötzlich aufflammenden riesigen Feuerkugel, die zerrissenen Säcke, die verbogenen Kanonen und die zerfetzten, verbrannten Schützen, die in wenigen Sekunden mit verrenkten Gliedern in den Sand sanken. Die Insassen des Zuges stoben neben der Bahnlinie auseinander, rannten gebückt, um nicht von Granatsplittern getroffen zu werden oder warfen sich zu Boden, um den Kugeln auszuweichen, die auf den Schotter ratterten. Die MG -Salven aus den Flugzeugen, die ihren zweiten Angriff flogen, besudelten den Schotter mit Blut. Die Überlebenden

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