Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
säßen.
»Sie haben den Laden meines Vaters kontrolliert. 1943 in Lyon.«
»Ich habe viele Läden kontrolliert. Man hatte mich zu dem blöden Auftrag abkommandiert, Läden zu kontrollieren. Um den Schwarzhandel zu unterbinden. Schrecklich langweilig. Ich erinnere mich nicht mehr an Ihren Vater.«
»Dann erkennen Sie mich also auch nicht wieder.«
»Sie schon. Auf den ersten Blick. Schon seit einer Stunde laufen Sie vor uns hin und her und tun so, als hätten Sie mich nicht gesehen. Sie haben sich zwar verändert, aber so sehr auch wieder nicht. Sie sind vermutlich inzwischen zum Mann geworden, oder täusche ich mich da?«
»Warum haben Sie meinen Vater verschont? Er hat Schwarzhandel getrieben, und das wussten Sie.«
»Alle haben Schwarzhandel getrieben. Niemand hat sich an die Regeln gehalten. Und daher habe ich den einen verschont und den anderen verurteilt. Das kam darauf an. Wir konnten schließlich nicht alle töten. Wenn der Krieg länger gedauert hätte, hätten wir es vielleicht getan. Wie in Polen. Aber jetzt ist es vorbei.«
»Waren Sie das in Porquigny?«
»Ich, meine Männer, die Befehle von oben: wir haben alle mitgemacht, aber niemand im Besonderen. Die Résistance, wie Sie das nennen, war dort sehr aktiv, und daher wenden wir Terror an, um die Unterstützung innerhalb der Bevölkerung zu brechen.«
»Sie haben wahllos getötet.«
»Wenn wir nur die Partisanen töten würden, wäre das ganz normaler Krieg. Der Terror ist ein sehr raffiniertes Instrument, das darin besteht, eine panische Angst zu verbreiten, die die Straßen freimacht. Und so dringen wir in aller Ruhe vor, und unsere Feinde verlieren die Unterstützung innerhalb der Bevölkerung. Man muss eine Atmosphäre unpersönlichen Terrors schaffen, das ist eine militärische Technik.«
»Haben Sie das selbst durchgeführt?«
»Ich persönlich bin nicht blutrünstig. Der Terror ist nur eine Technik, um sie anzuwenden, braucht man Psychopathen. Aber jene, die die Sache organisieren, dürfen keine sein. Ich hatte Turkmenen bei mir, die ich in Russland aufgetrieben habe; Nomaden, für die Gewalt nur ein Spiel ist und die lachend ihren Tieren die Kehle durchschneiden, ehe sie sie verzehren. Die sind mit Sicherheit blutrünstig, man braucht ihnen nur zu erlauben, das, was sie mit ihren Herden machen, in einem etwas weiter gesteckten Rahmen zu tun. Sie sind imstande, einen Menschen bei lebendigem Leib zu zersägen, das habe ich gesehen. Sie waren mit mir im Panzerzug, wie eine Geheimwaffe, die Terror verbreitet. Sie sind meine Hunde. Ich lasse sie los oder halte sie zurück, ich selbst kümmere mich nur um die Leine. Aber was hätten Sie an meiner Stelle getan? An unserer Stelle?«
»Ich befinde mich nicht an Ihrer Stelle. Ich habe alles getan, um nicht dort zu sein.«
»Das Rad dreht sich, junger Mann. Ich hatte den Auftrag, für Ordnung zu sorgen, vielleicht werden Sie demnächst ebenfalls damit konfrontiert. Ich habe Sie vor einiger Zeit wegen einer momentanen Gefühlsregung verschont, wegen eines Deklinationsfehlers, den Sie gemacht haben, und heute bin ich Ihr Gefangener. Wir waren die Herren, und jetzt weiß ich nicht, was Sie mit mir machen werden.«
»Wir werden Sie an die Amerikaner ausliefern.«
»Das Rad dreht sich. Nutzen Sie Ihren Sieg aus, Ihren noch ganz neuen Sieg, nutzen Sie den schönen Sommer aus. 1940 war das schönste Jahr meines Lebens. Danach war es nicht mehr so schön. Das Rad dreht sich.«
Das musste ja kommen. So oft schon waren Sprengkörper auf ihn abgefeuert worden, um ihn zu töten, und diesmal gelang es fast. Er wurde verletzt. Während sie damit beschäftigt waren, Leichen einzusammeln, wurde auf sie geschossen. Deutsche irrten durch die Gegend, Geschosse, die der Krümmung des Himmels folgten, fielen zwanzig Kilometer zu weit hinab, oder manchmal tauchte ein einzelnes Flugzeug aus den Wolken auf, belegte diverse Ziele mit Maschinengewehrfeuer und verschwand wieder. Man konnte durch Zufall sterben.
Brioude und Salagnon entkamen dem auf einem Wasserturm versteckten Schützen. Die Deutschen waren abgezogen, aber er war dort geblieben, auf einer Betonplattform in dreißig Metern Höhe, vielleicht hatten sie ihn vergessen. Ringsumher waren die Felder mit Toten und zerstörten Panzern übersät, Überreste einer Schlacht, an der er teilgenommen haben musste und die man für beendet gehalten hatte. Als die Maquisarden des Colonel kamen, um die Leichen einzusammeln, und jeweils zu zweit eine Bahre trugen,
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