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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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begann er zu schießen und verletzte Morellet am Schenkel. Sie warfen sich hinter eine Hecke und erwiderten das Feuer, aber der Schütze hatte gute Deckung. Brioude und Salagnon waren von den anderen abgeschnitten. Sie mussten das mit Leichen und rauchenden Fahrzeugen überhäufte große Feld am Fuß des Wasserturms verlassen. Der Schütze nahm sie in aller Ruhe aufs Korn und versuchte sie zu erwischen, bevor sie wieder in Deckung gehen konnten. Die Maquisarden hinter der Hecke gaben Feuerstöße ab, die den Beton beschädigten, ohne den deutschen Soldaten zu treffen. In seiner Position, hoch oben in der Luft, war er nicht zu erreichen; er wich zurück und kroch wieder näher an den Rand, um eine Kugel dorthin abzufeuern, wo er seine Gegner vermutete. Brioude und Salagnon warfen sich ins hohe Gras, und gleich darauf schlug die Kugel in den Boden, sie versteckten sich hinter den Toten, und sofort wurde die Leiche von einem weichen Aufprall geschüttelt, sie suchten mit einem Satz hinter einem brennenden Jeep Deckung, und die Kugel traf die Karosserie und verfehlte sie noch einmal. Sie robbten, sprangen auf, warfen sich ins Gras, bewegten sich auf unterschiedliche Weise und in unregelmäßigem Rhythmus voran und gaben sich mit klopfendem Herzen Zeichen, und der Schütze verfehlte sie immer. Sie rückten Meter für Meter vor, um das Feld zu überqueren und gewannen jedes Mal ein paar Meter Leben, bis der Schütze seine Zielachse korrigierte, aber er irrte sich weiterhin. Schließlich erreichten sie den Hohlweg, auf dem die anderen Maquisarden in Deckung lagen. Als die beiden die Hecke überwanden und zwischen den anderen über den Boden rollten, wurden sie mit gedämpftem Beifall begrüßt. Sie blieben atemlos auf dem Rücken liegen und schwitzten furchtbar; dann brachen sie in Gelächter aus, glücklich, dass sie gewonnen hatten, glücklich, dass sie lebendig waren.
    Und plötzlich zerriss der Himmel wie ein Seidenvorhang, und nach dem Riss war es, als würde der Boden von einem Schlag mit einem großen Hammer getroffen. Erde fiel hinab, Steine und Holztrümmer hagelten auf sie ein, gefolgt von Schreien. Salagnon spürte erst einen Schlag gegen den Schenkel und danach etwas Feuchtes, Warmes. Irgendetwas sprudelte ausgiebig aus ihm hervor und schwächte ihn; davon rauchte vermutlich der Boden. Man holte ihn, er sah nur einen Wirbel, der ihn vom Gehen abhielt, man transportierte ihn liegend. So etwas wie ein feuchter Rauch hinderte ihn, etwas zu sehen, aber das konnten Tränen sein. Er hörte ganz in der Nähe lautes Geschrei. Er versuchte demjenigen, der ihn transportierte, etwas zu sagen. Er zupfte ihn am Kragen, zog ihn näher heran und flüsterte ihm ganz langsam ins Ohr: »Dem geht’s aber dreckig.« Dann ließ er ihn los und wurde ohnmächtig.
    Als er erwachte, war Salomon Kaloyannis bei ihm. Der Arzt hatte ihn in einem kleinen Zimmer mit einem Spiegel an der Wand und einem Nippesregal untergebracht. Er lag in einem Holzbett, mit dem Rücken an dicke Kopfkissen mit aufgestickten Initialen gelehnt, und konnte das Bein nicht anwinkeln. Es steckte in einem festen Verband vom Knöchel bis zur Leiste. Kaloyannis zeigte ihm ein spitzes, verbogenes Stück Metall von der Größe eines Daumens; die Ränder waren ebenso fein wie die einer Glasscherbe.
    »Sieh nur, das war es. Bei einem Bombenangriff sieht man nur das Licht, man glaubt, es handele sich um ein Feuerwerk; aber das Ziel besteht darin, Metallsplitter wie diesen hier durch die Gegend zu schleudern. Es ist als schleudere man mit einer Steinschleuder Rasierklingen auf schutzlose Leute. Wenn du wüsstest, was für grässliche Wunden ich vernähen muss. Der Krieg lehrt mich sehr viel darüber, wie man Menschen zerschneidet und wie man sie vernäht. Aber du bist wach, du scheinst alles gut überstanden zu haben, ich gehe jetzt. Euridice besucht dich bald.«
    »Bin ich in einem Krankenhaus?«
    »Ja, im Krankenhaus von Mâcon. Wir sind hier inzwischen gut eingerichtet. Ich habe dieses Zimmer für dich aufgetrieben, weil alles überfüllt ist. Wir haben auf den Fluren Betten aufgestellt und sogar in Zelten im Park. Ich habe dich im Zimmer des Hausmeisters untergebracht, damit ich dich im meiner Nähe weiß. Ich möchte nicht, dass man dich verlegt, ehe ich dich geheilt habe. Ich weiß nicht, wo der Hausmeister ist, nutz also die Gelegenheit, dieses kleine Zimmer für dich zu haben, um zu genesen. Ich habe sogar ein richtiges Heft für dich gefunden. Ruh dich aus. Ich

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