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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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gehorcht, nachdem diese so lange im Zaum gehalten worden ist. Wie soll man das begreifen; oder aber man hat es schon seit langem gewusst und nur nicht gewagt, es zu sagen. Bei Hunden beruft man sich auf die Tollwut, eine Krankheit, die sie verrückt werden lässt, sie ziehen sie sich durch einen Biss zu und beißen dann ihrerseits, das erklärt dann alles. Aber für die Araber, da weiß man nicht, wie es dazu kommen konnte.«
    »Sie sprechen über Menschen, als seien es Hunde.«
    »Geh mir nicht mit deinen Vorwürfen über meine Ausdrucksweise auf den Geist. Du bist nicht von hier, Victorien, du verstehst nicht, worum es geht. Was wir hier erlebt haben, ist so grauenhaft, dass wir es uns nicht leisten können, auf eine klare Sprache zu verzichten, nur um auf das Zartgefühl der Franzosen Rücksicht zu nehmen. Man muss den Dingen ins Gesicht sehen, Victorien. Man muss sagen, wie es ist. Und das tut weh.«
    »Vorausgesetzt, es entspricht den Tatsachen.«
    »Ich wollte über Vertrauen sprechen, und deshalb habe ich die Hunde erwähnt. Um die Raserei zu erklären, die Hunde manchmal überkommt, sagt man, sie hätten Tollwut; das erklärt alles, und man tötet sie. Was die Araber angeht, weiß ich nicht, woher das kommt. Ich habe nie an diese Geschichte mit der Rasse geglaubt, aber heute sehe ich nur noch eine Erklärung: Die haben das im Blut. Die Gewalttätigkeit haben sie im Blut. Den Verrat haben sie im Blut. Oder hast du eine andere Erklärung?«
    Er verstummte eine Weile. Er schenkte sich ein weiteres Glas ein, goss etwas daneben und vergaß Salagnon nachzuschenken.
    »Ahmed ist verschwunden. Anfangs hat er mir noch geholfen. Man brachte mir Verwundete, damit ich sie behandelte, und er war bei mir. Aber wenn er sich über die Verletzten beugte, mit seiner Adlernase, seinem Schnurrbart und seiner unverkennbaren Hautfarbe, dann stöhnten sie ganz leise und wollten, dass ich bei ihnen blieb. Sie flehten mich an, nicht wegzugehen, sie nicht mit ihm allein zu lassen, und nachts wollten sie, dass ich bei ihnen wachte, vor allem aber: nicht er.
    Ich habe versäumt, Ahmed zu fragen, wie er das aufgefasst hat – ich habe darüber nur gelacht. Ich habe Ahmed auf die Schulter geklopft und zu ihm gesagt: ›Komm, lass mich das machen, denen geht’s nicht gut, sie haben Angst vor deinem Schnurrbart‹, als sei das ein Scherz. Aber das war keiner, Typen, denen man mit Gartengeräten den Bauch aufgeschlitzt hat, machen keine Scherze.
    Und eines Nachts, sehr spät, während wir das Arztbesteck und die Instrumente, die ich tagsüber benutzt hatte, reinigten und sterilisierten – denn wir mussten alles selbst machen, bei der ganzen Arbeit und dem ganzen Ärger, aber das hatten wir ja schon in den Kriegsjahren gemeinsam gemacht –, während wir also beide vor dem Sterilisiergerät standen und die Instrumente reinigten, sagte er zu mir, er sei mein Freund. Zunächst habe ich mich darüber gefreut. Ich habe geglaubt, die Müdigkeit, die Nacht und die Zerreißproben, die wir gemeinsam erlebt hatten, all das mache ihn geschwätzig. Ich habe geglaubt, er wolle über all das reden, was wir seit Jahren bis zu diesem Augenblick gemeinsam erlebt hatten. Ich habe genickt und wollte gerade sagen, dass auch er mein Freund sei, doch dann fuhr er fort. Er sagte mir, dass die Araber bald alle Franzosen töten würden. Und dass er mich an jenem Tag, da ich sein Freund sei, persönlich töten werde, und zwar schnell, damit ich nicht zu leiden brauche.
    Er sagte das, ohne die Stimme zu erheben und ohne mich anzusehen, ganz mit seiner Arbeit beschäftigt, eine blutbefleckte Schürze um die Hüften und die Hände voller Schaum, in jener Nacht, in der nur noch wir beiden wach waren, bis auf ein paar Verletzte, die nicht schlafen konnten, wir waren die Einzigen, die noch auf waren, die Einzigen, die unversehrt und bei klarem Verstand waren. Er versicherte mir, er werde das nicht von irgendeinem x-beliebigen Typen und auf x-beliebige Art ausführen lassen, und das sagte er zu mir, während er die Blutspuren von extrem scharfen Klingen abwischte, das sagte er, während er vor einem ganzen Arsenal von Skalpellen, Pinzetten und Nadeln stand, die jedem Fleischer Angst einflößen würden. Ich hatte zum Glück die Geistesgegenwart, zu lachen und mich bei ihm zu bedanken, und er hat mir zugelächelt. Als wir alles weggeräumt hatten, haben wir uns schlafen gelegt, aber vorher habe ich noch den Schlüssel für mein Schlafzimmer gesucht, einen lächerlich

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