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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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sodass man schnell die Orientierung verliert und tastend an den Wänden entlang irrt und nach Türen sucht. Man weiß nicht, wohin man geht.
    »Ziemlich verrückt«, sagte Salagnon gleichgültig. »Aber ich habe Nachsicht mit Mariani.«
    »Ja, aber bewaffnete Typen, die eine Wohnung in eine Festung verwandeln …«
    »Von denen gibt es eine ganze Menge; aber das artet nie aus. Mariani hat sie fest in der Hand, sie träumen davon, das zu erleben, was Mariani erlebt hat, und da er all das erlebt hat, kann er sie im Zaum halten. Wenn er eines Tages stirbt, wissen sie nicht mehr, wovon sie träumen sollen. Dann gehen sie auseinander. Wenn der letzte Beteiligte des kolonialen Karnevals tot ist, löst sich die SIFF auf. Dann erinnert man sich nicht einmal mehr, dass so etwas möglich war.«
    »Sie sind aber ganz schön optimistisch. Da befindet sich eine Bande von bis an die Zähne bewaffneten Totalverrückten in einem Wohnsilo, und Sie fegen das mit einer Handbewegung vom Tisch.«
    »Sie sind seit fünfzehn Jahren dort. Sie haben nicht einen einzigen Schuss außerhalb des Schießstands abgegeben, für den sie einen Ausweis mit ihrem richtigen Namen und ihrem Foto haben. Die Entgleisungen, die es gegeben hat, waren reine Unfälle, es hätte sie auch ohne sie gegeben, vermutlich sogar noch mehr.«
    Lautlos, ohne Stockwerkangaben, brachte uns der Fahrstuhl ins Erdgeschoss. Salagnons Ruhe machte mich wütend.
    »Ihre Ruhe macht mich wütend.«
    »Ich bin ein ruhiger Mensch.«
    »Selbst angesichts der idiotischen Ideen solcher Typen mit ihrem Hang für Krieg und Tod?«
    »Idiotische Ideen sind weit verbreitet, ich selbst habe oft welche; der Krieg beeindruckt mich nicht mehr; und was den Tod angeht, tja, der ist mir allerdings egal. Und Mariani geht es genauso. Darum habe ich Nachsicht mit ihm. Was ich sage, kannst du nicht verstehen. Du weißt nichts vom Tod, und du kannst dir nicht vorstellen, was es bedeutet, dass einem der Tod völlig egal sein kann. Ich habe Leute gesehen, denen ihr eigener Tod absolut egal war, und ich habe mit ihnen zusammengelebt. Ich bin einer von ihnen.«
    »Nur Verrückte haben keine Angst, und nicht mal alle. Sondern nur eine gewisse Sorte von Verrückten.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich keine Angst davor habe. Nur, dass mir mein eigener Tod völlig egal ist. Ich sehe ihn, ich weiß, wo er ist, aber das ist mir egal.«
    »Das sind nur Worte.«
    »Ganz im Gegenteil. Diese Gleichgültigkeit ist etwas, was ich im Leben empfunden habe; und ich habe sie auch bei anderen kennengelernt. Daran ließ sich nicht rütteln, es war erschreckend. Es geschah, als ich eine Attacke der Legionäre erlebte.«
    »Eine Attacke? Gab es im 20. Jahrhundert noch Attacken?«
    »Das heißt nur, dass sie auf Typen vorrückten, die auf sie schossen. Das habe ich gesehen, ich war dabei, aber ich habe mich hinter einem Felsen versteckt und den Kopf eingezogen, wie alle das in solchen Situationen tun, aber sie sind zur Attacke übergegangen; das heißt, auf das Kommando ihres Offiziers sind die Typen aufgesprungen und vorgerückt. Man schoss auf sie, sie wussten, dass sie jeden Moment sterben konnten, aber sie sind vorgerückt. Sie haben sich dabei nicht einmal beeilt: sie gingen mit vorgehaltener Waffe Schritt für Schritt voran und schossen wie bei einer Übung. Ich habe selbst Sturmangriffe mitgemacht, bei denen der Feind auf dich schießt, aber in solchen Fällen brüllt man und rennt; denn wenn man schreit, denkt man an nichts, und durch das Rennen glaubt man, man würde den Kugeln ausweichen. Aber bei ihnen war das ganz anders: Sie springen auf und rücken bedächtig vor. Wenn sie sterben, haben sie eben Pech gehabt; sie wissen, worauf sie sich einlassen. Manche fallen, andere nicht, und die gehen weiter. Dieser Anblick ist entsetzlich, Männer, denen ihr eigener Tod völlig egal ist. Der Krieg basiert auf Angst und schützender Deckung; wenn daher diese Typen aufspringen und voranrücken, kann das nur Entsetzen einjagen, dann gibt es keine Regeln mehr, dann ist man nicht mehr im Krieg. Und meistens suchen dann die Typen gegenüber, die in Deckung liegen und schießen, Hals über Kopf das Weite. Sie haben eine Heidenangst und flüchten. Manchmal bleiben sie auch da, und dann wird die Sache mit dem Messer, mit Kolbenschlägen oder mit Steinschlägen zu Ende gebracht. Den Legionären ist der Tod der anderen ebenso egal wie ihr eigener. Sie sind imstande, jemanden zu töten, so wie man sein Zimmer fegt. Sie säubern die

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