Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
verlängern. Salagnon versuchte aufzustehen, doch sein Bein wog so schwer wie ein an seiner Hüfte befestigter Balken. Seine Hose war feucht und ganz warm. Er sah nichts anderes als das Laub über ihm, das den Himmel verdeckte. Mariani beugte sich zu ihm hinab. »Du hast was abgekriegt. Kannst du gehen?« »Nein.« Er kümmerte sich um Salagnons Bein, schnitt die Hose mit dem Dolch auf, legte einen sehr festen Verband um den Schenkel und half ihm sich hinzusetzen. Moreau lag ausgestreckt auf dem Bauch, die Thai standen reglos im Kreis um ihn herum. »Mit einem Schlag getötet«, flüsterte Mariani. »Was?« »Durch einen Splitter; die sind messerscharf. Bei dir ist er in den Schenkel gegangen. Du hast Glück gehabt. Bei ihm ist es der Hals. Zack!« Dabei deutete er mit der flachen Hand einen Schnitt durch die Kehle an. Moreaus Blut hatte sich auf den Boden ergossen und bildete einen großen dunklen Flecken rings um seinen Hals. Die Männer fällten ein paar junge, biegsame Stämme, schlugen mit dem Haumesser die Äste davon ab und fertigten mithilfe von Hemden, die sie den Toten abnahmen, Tragbahren. »Das Fahrrad«, sagte Salagnon. »Was ist mit dem Fahrrad?« »Das nehmen wir mit.« »Bist du verrückt? Wir schleppen uns doch nicht mit einem Fahrrad ab!« »Das nehmen wir mit. Sonst glaubt uns das niemand, wenn wir ihnen erzählen, wir hätten Fahrräder im Dschungel gesehen.« »Das ist richtig. Aber das kann uns doch egal sein, oder?« »Ein Typ allein befördert mit seinem Fahrrad dreihundert Kilo durch den Dschungel. Das nehmen wir mit. Das bringen wir ihnen. Das zeigen wir ihnen.« »Okay, okay.«
Salagnon wurde von Mariani und Gascard auf einer Bahre getragen. Die Thai trugen Moreaus Leiche. Sie ließen die Vietnamesen da, wo sie gefallen waren. Die Thai verneigten sich vor den Toten leicht zu einem letzten Gruß mit vor der Stirn flach zusammengelegten Händen, dann setzten sie ihren Weg fort. Sie liefen weiter die Hänge hinab, aber nicht mehr ganz so schnell. Zwei Männer trugen das von den Säcken befreite, auseinandergenommene Fahrrad, einer die beiden Räder, der andere den Rahmen. Die Thai, die Moreau trugen, hatten den elastischen Schritt von Menschen, die es gewohnt waren, sich eines Tragjochs zu bedienen, und die sanft hin und her schaukelnde Leiche protestierte nicht; Gascard und Mariani dagegen trugen die Bahre so wie man eine Schubkarre hält, mit ausgestreckten Armen, und daher wurde Salagnon hin und her geschüttelt. Bei jedem Stoß blutete Salagnons Bein erneut, sodass die Bahre klebrig wurde und Blut auf den Boden tropfte. Jeder Schritt hallte in seinem Knochen wider, der anzuschwellen schien und die Haut zu zerreißen drohte, um an die frische Luft zu kommen; Salagnon bemühte sich, nicht zu schreien, presste die Lippen zusammen, und dahinter zitterten die Zähne, bei jedem Atemzug gab er einen stöhnenden Klagelaut von sich.
Die beiden Träger wurden immer ungeschickter, sie glitten auf Überresten aus, die den Boden übersäten, stießen mit den Schultern an Baumstämme, bewegten sich ruckweise voran, sodass Salagnon die Stöße gegen sein Bein bald nicht mehr ertragen konnte. Er überschüttete Mariani, der vor ihm herlief und den allein er sehen konnte, wenn er vor Schmerz den Hals reckte, mit wüsten Beschimpfungen. Bei jedem Stolpern, jedem Stoß, schleuderte er ihm die schlimmsten Grobheiten an den Kopf, seine ständigen Schimpfworte endeten in gurgelnden Lauten, in erstickten Klagen, denn er schloss den Mund, um nicht zu laut zu schreien, oder sie endeten in lauten Seufzern, die ihm durch die Vibrationen des Brustkorbs aus der Nase oder der Kehle entfuhren. Mariani keuchte und stöhnte, dennoch lief er weiter und hasste Salagnon, wie man niemanden hasst, es sei denn jemanden, den man auf der Stelle umbringen, aus lang berechneter Rache langsam Auge in Auge erdrosseln möchte. Salagnon bemühte sich, die Augen offen zu halten, er sah, wie sich die Baumwipfel hin und her bewegten, als herrsche großer Sturm, dabei war die Luft so stickig und heiß, dass sie am Schweiß fast erstickten, denn es war nicht die geringste Brise zu spüren. Bei jedem Schritt seiner Träger meldete sich sein Bein, bei jedem Stein, gegen den sie stießen, bei jeder Wurzel, über die sie stolperten und jedes Mal, wenn sie über eines der weichen Blätter ausrutschten, die den Boden übersäten; all das hallte in seinem verletzten Knochen wider, in seinem Rückgrat, in seinem Schädel; er prägte sich für
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